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Fünf nach zwölf

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Das System der Medienförderung zielt auf strukturelle Abhängigkeiten. Das muss jetzt geändert werden.


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Mit einem knappen "Ich gelobe" startete Alexander Schallenberg in seine unvorhergesehene Kanzlerschaft. Türkis-Grün - abzuwarten bleibt, wie lange die "neue ÖVP" am von Sebastian Kurz geprägten Re-Branding der Partei festhält - wird alle Energie darauf verwenden, so schnell wie möglich zur Regierungsroutine zurückzukehren. In die Hände spielt der Koalition der Rucksack an Themen und Projekten, die auf ihre Umsetzung warten - vom Budget samt Steuerreform über das Klimaschutzpaket und die Arbeitsmarktreform bis hin zu einem neuen ORF-Gesetz und der Neuregelung der Sterbehilfe.

Allerdings wurde durch die Ereignisse der vergangenen Tage die Dringlichkeit eines Medientransparenzgesetzes ganz nach oben auf die Tagesordnung gespült. Die undurchsichtige Vergabe öffentlicher Mittel durch die Mächtigen in Bund, Ländern und Städten wie den diesen nahstehenden Unternehmen zählt zu den großen Fehlkonstruktionen dieser Republik.

Man muss sich die Größenordnungen vor Augen halten: Die offizielle, auf mehrere Töpfe verteilte Presseförderung beläuft sich auf 27 Millionen Euro. Das ist nicht nichts, aber im Vergleich zu den rund 300 Millionen Euro, welche die öffentliche Hand über Inseratenschaltungen mehr oder weniger freihändig verteilt, sind das "Peanuts". Und der Löwenanteil dieser 300 Millionen fließt an die drei Boulevardblätter "Krone", "Heute" und "Österreich".

Das - man muss es so nennen - Perfide ist, dass vor allem die qualitätsorientierten nationalen und regionalen Medien auf öffentliche Mittel angewiesen sind. Die Schuld dafür liegt in der Kleinheit des Landes - und damit des Lesermarkts - begründet, aber eben auch in den Versäumnissen, die aus einer unterlassenen oder bewusst dysfunktionalen Medienpolitik herrühren.

Perfid an diesem System ist die dahinterstehende Absicht, über die freihändige Vergabe der enormen Inseratensummen unabhängige Medien in einem strukturellen Abhängigkeitsverhältnis zu halten. Obwohl dieser Plan nur in Ausnahmefällen aufgeht, ist das System längst untragbar. Dass die Politik diese Konstellation dennoch fortschreibt und sich den zahlreichen Rufen nach einer Reform der Medienförderung verweigert, macht Österreich zu einem Sonderfall unter den westlichen Demokratien.

Es ist fünf nach zwölf, das System zu reformieren. Ideen gibt es genügend. Ziel muss die Stärkung eines unabhängigen Journalismus sein, der über die Ressourcen verfügt, die Mächtigen zu kontrollieren und die Bürger umfassend zu informieren.