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Fünf Projekte für das Kern-Kabinett

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Was die Regierung jetzt auf der Stelle beschließen könnte, um nicht mehr Teil des Problems, sondern der Lösung zu sein.


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Eine "neue Politik" versprach der ÖVP-Chef, eine ganz neue Wirtschaftspolitik vor allem, die Wachstum anstoßen, neue Jobs schaffen und Österreich aus der schwere Flaute führen sollte. Das war 1985, also vor mehr als 30 Jahren, der ÖVP-Chef hieß Alois Mock, und aus der "neuen Bolidig", wie er das in seinem charmanten niederösterreichischen Idiom intonierte, wurde umständehalber eher nichts.

Seither gehört das Versprechen einer "neuen Politik" zu den in der ungeschriebenen Realverfassung des Landes verankerten Traditionen jeder besseren Regierungsumbildung, die jüngste nicht ausgenommen. Auch Christian Kern und Reinhold Mitterlehner machen sich dieses Versprechen zu eigen.

Ob die "neue Politik" diesmal eine wirklich neue Politik werden wird, kann heute noch nicht beurteilt werden; dass solche Versprechen in der Vergangenheit meist mehr in die Kategorie "nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht" fielen, sagt grundsätzlich noch nichts. Kann ja noch werden.

Doch da der einschlägige Vertrauensvorschuss der qualifizierteren Öffentlichkeit nicht zuletzt aus his-
torischer Erfahrung eher überschaubar sein dürfte, wäre die Regierung gut beraten, ganz zügig anhand einiger weniger ganz konkreter Projekte zu beweisen, dass beide Partner bereit sind, im Interesse des Landes auch gegen massive Interessen ihrer Kernklientel vorzugehen.

Dazu böte sich einiges an, ohne das Budget zu belasten oder langwierige Vorbereitungen treffen zu müssen:

Etwa eine Ankündigung der Regierung, die Pflichtmitglieschaft bei Arbeiter- und Wirtschaftskammer aufzuheben und den beiden Zwangsinteressenvertretungen drei Jahre Zeit zu geben, sich darauf einzustellen (womit die Regierung rote und schwarze Mächtige gegen sich aufbrächte).

Etwa ein unverzügliches ersatzloses Streichen des anachronistischsten Ladenschlussgesetzes der Welt, um ein kleines Stück mehr wirtschaftliche Freiheit herzustellen (womit sie Gewerkschaften wie Krämer gegen sich aufbrächte).

Etwa eine gesetzliche Schuldenbremse nach Schweizer Muster, die weitere Schuldenexzesse der Republik so gut wie möglich hintanhält (womit sie alle gegen sich aufbrächte, die Nettoempfänger staatlicher Leistungen sind).

Etwa eine Selbstverpflichtung, alle vom Bund direkt oder indirekt verursachten Abgaben bis zum Ende der Legislaturperiode nicht zu erhöhen oder besser noch um zehn Prozent zu senken, samt Darstellung der Gegenfinanzierung (womit sie alle gegen sich aufbrächte, die dann weniger Geld vom Staat bekämen).

Etwa ein Ende der Gewerbeordnung, die dafür sorgt, dass eine Nageldesignerin zwar Fingernägel lackieren darf, aber nicht Fußnägel.

Natürlich entstünden so weder Millionen neuer Jobs (aber doch ein paar) noch chinesisches Wachstumstempo (aber doch höheres als derzeit). Sehr wohl entstünden, indem die Regierung sich aus der Geiselhaft der hinter ihr stehenden Pressure-Groups befreite, enorme Glaubwürdigkeit, politisches Kapital und echte Aufbruchstimmung.

Ob sie tatsächlich eine "neue Politik" zusammenbringt, kann die Regierung übrigens leicht messen: Wenn nicht alle maßgeblichen Interessenvertreter echt sauer sind, hat sie ihren Job nicht richtig gemacht.