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Fünftes Rad am Wagen

Von Christian Thiel

Reflexionen
So verräterische Spuren des versteckten Partners sind selten . . .
© Fotolia

Schon der Klang ihres Namens entzückte mich. Den ganzen Tag sprach ich ihn immer wieder laut vor mich her. "Bar - ba - ra!", sagte ich, als ich die Treppenstufen zu meinem Büro hinaufstieg. "Bar - ba - ra!" sprach ich auf dem Weg nach Hause. "Bar - ba - ra", sagte ich, als ich unter der Dusche stand. Die ersten zwei Silben zogen meinen Mund in die Breite, so dass ich zu grinsen schien wie ein Honigkuchenpferd. Die letzte dagegen formte ihn kreisrund, wie als Ausdruck plötzlichen Erstaunens.


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Bleib auf dem Teppich. Es ist eine Verabredung - mehr nicht", meinte meine beste Freundin und Ratgeberin Monika. Ich rief sie an, kurz bevor ich aus dem Haus ging. "Nun mach sie mir doch nicht gleich madig", schimpfte ich und legte auf. Es gab eben Fälle, in denen auf Monikas Rat kein Verlass war. Vielleicht war sie ja auch ein wenig eifersüchtig.

"Das klingt doch super aufregend", überschlug sich meine Cousine Angelika, die ich von unterwegs aus anrief. "Ich spüre, dass das ein ganz besonderer Abend wird", setzte sie versonnen hinzu. Angelika sollte Recht behalten mit ihrer Ahnung - wenn auch auf ganz andere Art als gedacht.

Was mir an Barbara ganz besonders gefiel, das war ihr Blick. Immer wieder schaute sie mir lange und tief in die Augen. Dann strich sie sich eine dunkle Haarlocke hinters Ohr und lächelte. Auch ich sah sie ununterbrochen an. Ich konnte den Blick nicht von ihr wenden. Diese Augen! Dieses Lächeln! Die sanften Locken! Ich schmolz dahin wie Schnee in warmer Frühlingssonne. Nach zwei Stunden schon hätte ich ihr am liebsten einen Heiratsantrag gemacht. Sie war einfach umwerfend: witzig, wortgewandt, zielstrebig und ausgesprochen erotisch.

Nach drei Stunden ging Barbara. Ich erschrak ein wenig, als sie aufstand. Zu gerne wäre ich noch mit ihr sitzen geblieben, um ihren Blick zu genießen und ihr Lächeln. Sie hätte morgen einen anstrengenden Arbeitstag, sagte sie entschuldigend. Sie war Controllerin bei den Wasserwerken. Ich wusste gar nicht, dass die dort mittlerweile auch so etwas haben. Wahrscheinlich war das auch eine der Auswirkungen der Globalisierung.

Zum Abschied gönnte Barbara mir noch einen letzten ihrer langen Blicke und sagte mit einem Wimpernschlag: "Das war aber ein sehr schöner Abend." Ich wusste nicht so richtig, wie ich mich von ihr verabschieden sollte. Wir standen vor dem Cafe, in dem wir uns getroffen hatten. Ich gab ihr die Hand und war ein wenig verlegen. Dann stellte sie sich mit einem Mal auf die Zehenspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die linke Wange, drehte sich auf dem Absatz um und ging. "Das ist doch toll!", jubelte Cousine Angelika. "Ich habe es gespürt."

Zu Hause vor dem Spiegel betrachtete ich versonnen meine Wange. Ich konnte es gar nicht glauben. So viele Frauen hatte ich schon getroffen, seit ich beschlossen hatte, auf Partnersuche zu gehen. Kaum eine hatte sich überhaupt für mich interessiert. Und Barbara - ausgerechnet Bar - ba - ra, die Frau mit dem wunderschönen Namen, dem sanftesten Lächeln der Galaxie und den wunderbaren, dunklen gelockten Haaren, hatte mich zum Abschied sogar geküsst! Ich fühlte mich wie ein Teenager, bereit, die von Barbara geküsste Wange von jetzt an nie mehr zu waschen. Ich schlief ausgesprochen unruhig in dieser Nacht und wusste: Morgen würde ich sie anrufen und ein weiteres Treffen vorschlagen.

Wie auf Watte. Eine Woche später sahen wir uns bereits zum dritten Mal. Sie kam zu mir. Ihr Blick, ihr Lächeln - alles war wie schon beim ersten Mal. Ich war bezaubert und ahnte, wie es enden würde - im Bett.

In den Wochen darauf lief ich wie auf Watte durch die Welt. Manchmal ertappte ich mich bei den seltsamsten Tätigkeiten. Einmal stand ich wohl eine Viertelstunde vor der Geschäftsauslage eines Juweliers und betrachtete die dort ausgestellten Ringe. Erstaunlich, wie viele verschiedene es gab! Verlobungsringe, Hochzeitsringe, Ringe aus Gold, aus Altgold und aus Platin, mit und ohne Diamanten. Ein anderes Mal schaute ich versonnen einer Mutter auf dem Spielplatz zu, wie sie ihr kleines Kind mit Babybrei fütterte, während das ältere auf dem nahen Klettergerüst herumturnte. Spätestens als ich beim Zahnarzt geistesabwesend zum neuesten Heft einer Babyzeitschrift griff, war mir klar, dass es mich erwischt hatte. Ich war verliebt.

Zweifel kamen mir nicht. Warum auch? Ich wurde nicht stutzig, dass Barbara nie ans Telefon ging, sondern mich immer zurückrief, nachdem ich auf ihre Mailbox gesprochen hatte. Wir sahen uns zweimal die Woche und es irritierte mich nicht, dass immer Barbara die Treffen vorschlug. Sie schien einen sehr engen Zeitplan zu haben. Eines aber fiel mir doch auf, sie wollte immer zu mir kommen. Ich genoss es einfach, mit ihr zusammen zu sein. Aber so nach und nach wurde ich doch neugierig auf ihre Wohnung. "Ach weißt du, ich arbeite so viel und dann bin ich froh, wenn ich einmal herauskomme", sagte sie und küsste mich auf die Brust.

Wir waren sechs Wochen zusammen, als mich Monika darauf hinwies, dass wir uns nie am Wochenende sahen. Mir war das noch gar nicht aufgefallen. Barbara hatte arbeiten müssen. "Eine Generalüberprüfung der Finanzen." Am Wochenende darauf hatte sie eine Tagung. "Betriebliches Controlling in der EU. Brrrr", sagte sie. "Ich würde ihr mal ein Treffen am Wochenende vorschlagen, nur so, als Test", schlug Monika vor. Was meinte sie nur mit "Test"?

Wie ein Kartenhaus stürzte meine neue Liebe eines Tages geräuschlos in sich zusammen. Eines Samstagnachmittags rief ich sie an. Es meldete sich eine Kinderstimme. "Hier ist Florian." Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten? "Die Mama ist nicht da", sagte Florian. Von einem Kind hatte Barbara nie etwas erzählt. Als Florian dann vorschlug, mir "den Papa" zu geben, legte ich unvermittelt auf.

"Was hat sie sich nur dabei gedacht?", schimpfte ich, als ich mich mit Monika zu einer Krisensitzung traf. "Ich bin doch kein Zweitmann!" Monika versuchte, mich nach Kräften zu trösten. "Unfair", sagte sie einfühlsam. "Das war sehr unfair."

Ein paar Tage später stand ich wieder bei dem Juwelier vom Schaufenster. Eine Weile blickte ich traurig in die Auslagen. Dann ging ich hinein. Zum Glück nahmen sie den Ring wieder zurück.

info:

Nicht alle Erfahrungen mit der Partnersuche im Internet sind angenehm. Der nette, kinderlose Single, mit dem Sie sich treffen, erklärt Ihnen beim zweiten Treffen, dass er "wegen des Kindes" noch bei seiner Freundin wohnt. Die Beziehung ist selbstverständlich "schon lange völlig am Ende". Der nächste Mann erzählt Ihnen bereits nach fünf Minuten, dass er nur eine Zweitfrau sucht. Er will Gelegenheitssex, mehr nicht. Solch ein Verhalten ist empörend. Bestellen Sie umgehend, zusätzlich zum Cappuccino, der dampfend vor Ihnen steht, ein großes, ein extra großes Glas Mineralwasser. Sobald das Glas da ist, sagen Sie dem Herrn, dass sein Verhalten völlig inakzeptabel ist und schütten das Mineralwasser über seinen Kopf. Dann gehen Sie gruß- und wortlos, ohne sich noch einmal umzudrehen. Dem Kellner sagen Sie: "Der Herr bezahlt" und verschwinden. Sollte Ihr Gegenüber besonders frech und unangenehm sein, dann können Sie auch ein großes Glas Bier bestellen. Auf diese Weise hat er zumindest zu Hause einiges zu erklären.

Nicht jeder Seitenspringer rückt mit seinem Anliegen allerdings offen hinaus. Mancher Mann verabredet sich mit Ihnen und erzählt kein Wort von Frau und Kindern. Was können Sie tun, um sicherzustellen, dass Sie nicht als Zweit- oder Drittfrau in seiner Sammlung vorgesehen sind?

1. Lassen Sie sich Zeit beim Kennenlernen. Wenn Sie auf einen Mann treffen, der Ihnen schon bald sehnsuchtsvolle Blicke schenkt und allerhand Komplimente über Ihre schönen Augen macht - dann ist die Wahrscheinlichkeit außerordentlich groß, dass Sie gerade mit einem verheirateten Mann mit zwei Kindern am Tisch sitzen.

Wer Ihnen bei einem Treffen schon nach zwei Stunden tief in die Augen schaut und so tut, als sei er bereits frisch verliebt, der will vor allem eins: schnell mit Ihnen ins Bett. Sie aber sind anders. Sie wissen, dass die Liebe Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Und weil Sie das wissen, fallen Sie auf dieses Spiel nicht herein.

2. Machen Sie außerdem unbedingt den Wochenendtest. Legen Sie spätestens das zweite Treffen auf ein Wochenende. Manche angebliche Single-Männer haben grundsätzlich am Wochenende in der Zeit von Freitag 18 Uhr bis Sonntag 18 Uhr keine Zeit für Sie. Sie verabreden sich nicht. Sie sind auch telefonisch in dieser Zeit nicht zu erreichen. Das liegt daran, dass sie verheiratete Familienväter sind, die in einer anderen Stadt arbeiten und am Wochenende bei ihrer Familie sind.