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Funke, der das System Ceausescu zur Explosion brachte

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Ausstellung im Stift Klosterneuburg über die ersten Tage der rumänischen Revolution. | Wien. Den Dezember 1989 wird Traian Orban nie vergessen. Schon allein deshalb nicht, weil der heute 65-Jährige damals beinahe ums Leben gekommen wäre. Selbst kleinste Details haben sich tief in sein Gedächtnis eingegraben, minutiös erzählt er von den Ereignissen, die der KP-Diktatur eines dem Cäsarenwahn verfallenen Nicolae Ceausescu ein blutiges Ende bereiteten.


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"Am 17. Dezember bin ich mit einem Freund nach Temesvar gefahren, um zu sehen, was dort los ist", beginnt der ehemalige Tierarzt seinen Bericht. Die Proteste, die zunächst harmlos als Solidaritätsbekundung vor der Wohnung des rebellischen Pfarrers Laszlo Tökesz, der zwangsversetzt werden sollte, begonnen hatten, waren zu diesem Zeitpunkt schon gefährlich eskaliert. "Irgendwer hat die Straßen abgesperrt, es kamen immer mehr Menschen zusammen", erzählt Orban. Ceausescu setzt Soldaten und die gefürchtete Geheimpolizei Securitate ein und gibt schließlich den Befehl, auf die Demonstranten zu schießen. In der Folge greifen die Unruhen von Temesvar auf andere Städte über, erreichen schließlich auch Bukarest. Aus einer friedlichen Aktion wurde ein Bürgerkrieg, der weit über 1000 Menschen das Leben kostete, enorme Verwüstungen anrichtete und Ceausescu schließlich zu Fall brachte.

Nachzügler

Die Bevölkerung von Temesvar wusste im Dezember 1989 besser als die Menschen in anderen Landesteilen, dass die KP-Diktaturen in den meisten übrigen sowjetischen Satellitenstaaten längst kollabiert waren - und erwarteten etwas Ähnliches auch in Rumänien. Dabei sei die Gewalt in Temesvar nicht von den Demonstranten ausgegangen, erinnert sich Orban. Vielmehr hätten diese auf Angriffe der Armee und der Securitate mit Gegengewalt reagiert.

Orban selbst wird noch am 17. Dezember schwer verletzt, als Soldaten das Feuer auf Demonstranten eröffnen. In dem Spital, in das er gebracht wird, herrschen grauenhafte Zustände: "Die Verletzten lagen auf den Korridoren, sie hatten unvorstellbare Schmerzen, ihre Gesichter waren schon ganz verfärbt. Sie haben geschrien, überall war Blut auf dem Boden", erinnert sich Orban. Schließlich hat er das Glück, nach Österreich gebracht zu werden, wo er operiert wird.

Das, was derzeit im rumänischsprachigen Moldawien passiert - dort rannten zuletzt enttäuschte Jugendliche gegen die KP-Führung an -, erinnert Orban an die Anfänge der postkommunistischen Ära in Rumänien, als es im Juni 1990 auf dem Universitätsplatz in Bukarest zu einem Aufstand gekommen und dieser mit der Hilfe von Bergarbeitern niedergeschlagen worden war. "Die Mittel der Unterdrückung sind immer dieselben", weiß der Zeitzeuge. "Willkürlich vorgenommene Verhaftungen, Demonstranten werden illegal festgehalten, dabei nennt man irgendwelche Gründe für die Inhaftierung. Wenn es keine Gründe gibt, dann werden sie einfach erfunden."

Traian Orban hat für den Kampf um Freiheit und Demokratie einen hohen Preis bezahlt, die Ereignisse des Jahres 1989 haben ihn zum Invaliden gemacht. Wenn er heute auf Rumänien schaut, ist er überzeugt, dass sich sein Einsatz letztlich gelohnt hat: "Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Ich liebe mein Land und mein Volk. Und ich bin gegen Gewaltanwendung, das habe ich in den Spitälern, in denen ich gelegen bin, gelernt."

Brot statt Punks

Dem Beginn der rumänischen Revolution ist jetzt eine Dokumentation im Stift Klosterneuburg gewidmet. Zu sehen sind dort unter anderem Fotografien, die die Ereignisse des Dezembers 1989 festhalten. So etwa den entgeisterten Gesichtsausdruck eines Grubenarbeiters, der nach Temesvar gebracht wurde, um gegen Demonstranten vorzugehen; der dort aber statt auf "asoziale Randalierer" auf freundliche Menschen stößt, die ihn mit Brot versorgen. Dokumentiert werden die dramatischen Ereignisse auch durch ausgewählte Artikel der "Wiener Zeitung" jener Tage.

Die Ausstellung "Timisoara ´89. Ground Zero of the Romanian Revolution", die vom Rumänischen Kulturinstitut mitorganisiert wurde, ist bis Anfang September im Stift Klosterneuburg zu sehen.