Zum Hauptinhalt springen

Funktionäre ticken anders

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Die These von der Gleichheit aller Menschen gilt gemeinhin als unwidersprochen. Dabei wird gerne übersehen, dass es eine kleine, nicht unwesentliche Gruppe gibt, die gründlich anders tickt. Gar nicht viel schlechter oder besser als der große Rest, einfach nur anders - und zwar grundsätzlich.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Es geht um Funktionäre und ihr Selbstverständnis. Sicher, Leidenschaft macht oft blind, man kennt das von der Liebe. Aber hier gesellt sich zur Berufung oft auch noch der Beruf, was eigentlich für hinlänglich kühlen Kopf sorgen sollte. Etwa wenn es um die innige - und daher keinesfalls konfliktfreie - Beziehung zwischen Eigen- und Allgemeininteressen geht. Tut es aber nicht.

Das zeigen mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit seit Wochen die Wiener Grünen und die Grazer SPÖ, die eine Selbstverliebtheit an den Tag legen, die aus Sicht ihrer politischen Mutterschiffe an vorsätzliche Selbstbeschädigung grenzen muss. Dies umso mehr, als beide Landesparteien unmittelbar vor entscheidenden Wahlen stehen.

Solche schlagzeilenträchtigen Auseinandersetzungen mögen als bizarre Ausnahmen erscheinen, sind es aber nicht. Funktionäre von Parteien ähneln Durchschnittsbürgern allenfalls äußerlich, innerlich trennen sie Welten. Und es ist die Kunst der Spitzenpolitiker aller Parteien, das vor ihren Wählern, so gut es eben geht, zu verheimlichen. Manchmal bricht dennoch der Überzeugungstäter durch, der in jedem Funktionär schlummert.

Dem klassischen ÖVP-Amtsträger sind etwa Homo-Partnerschaft, Gesamtschul-Ideen oder der Trend hin zu Patchwork-Familien in einem Ausmaß zuwider, dass es wohl einen Gutteil der Wähler verschrecken würde. Die Problemzone der Freiheitlichen wiederum sind die Begeisterung mancher ihrer Mannen für die angeblich guten alten Zeiten vor 1945. Und wenn SPÖ und Grüne mit Vermögen verfahren würden, wie ihre Funktionäre wollten, sie könnten sich wohl ebenso von einem Großteil ihrer Wähler verabschieden.

Es ist ein harter Job für Spitzenpolitiker aller Länder, die Mehrheitsfähigkeit ihrer Parteien zu bewahren. Sich dabei allein auf die Instinkte von Funktionären zu stützen, geht sicher schief. Es geht allerdings auch nicht ohne sie. Denn irgendwer sollte, bitteschön, schon gratis rennen.