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Lebensstil und genetische Faktoren begünstigen Risiko. | Wien. Ein Langstreckenflug - Josef Pröll war zuvor in Peking gewesen - war vermutlich schuld an der bedrohlichen doppelten Lungenembolie, die Österreichs Vizekanzler am 18. März erlitt.
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Der Lungeninfarkt war durch eine Bein-Thrombose ausgelöst worden. Stundenlanges Sitzen mit angewinkelten Beinen im Flugzeug bietet ideale Voraussetzungen für die Bildung von Blutgerinnseln. "Zunächst gerinnt in den Beinen oder im Becken das Blut", sagt Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Uni Wien, zur "Wiener Zeitung". Wirklich gefährlich wird es für Passagiere jedoch erst nach dem Aufstehen oder noch später: Mitgerissen vom Blutstrom verstopfen die Blutgerinnsel Lungengefäße. "Die Gerinnsel werden in den Blutkreislauf geschleudert und dehnen sich in der Lunge aus", so Kunze.
Frage der Ausdehnung
Ob eine Lungenembolie letal ist, hängt von der Ausdehnung ab. Im Fall Prölls waren beide Lungen betroffen, der Finanzminister betonte, dass die Ärzte sein Leben gerettet hätten.
"Für rund 500.000 EU-Bürger pro Jahr gehen Thromboembolien (Thrombosen) tödlich aus. Das sind mehr als bei Verkehrsunfällen, durch Brustkrebs und Aids zusammen sterben. Zehn Prozent aller Todesfälle in Krankenhäusern werden durch Lungenembolien verursacht", sagt Sabine Eichinger-Hasenauer von der Universitätsklinik für Innere Medizin I am Wiener AKH. Bei einer Lungenembolie gelange der Thrombus mit dem Blutstrom über die rechte Herzkammer in die Lungenarterie, so die Expertin. Die Lungenarterien werden enger, daher bleibt der Thrombus dort stecken. Das dahinter liegende Lungen-Areal fällt aus, der Patient leidet an Atemnot, es kann zu Herzversagen kommen.
Als Risikofaktoren für das Auftreten von Thrombosen gelten vor allem das Alter, Übergewicht, eine Operation, eine bösartige Erkrankung, Chemotherapie, Schwangerschaft oder die Einnahme der "Pille".
Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählt die lange oder sogar lebenslange Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten. "Allerdings nehmen in Österreich zehntausende Menschen solche Medikamente - allein daran kann es nicht liegen, dass die behandelnden Ärzte mit derartigem Nachdruck von Flügen abraten", sagt Kunze. Er verweist auf genetische Faktoren, die die Blutgerinnung stören können. Dazu kämen die Stressfaktoren eines Politiker-Alltags, der sich nahezu rein um Termine gruppiere.
Risiko-Berechnung
Patienten mit Venenthrombose oder Lungenembolie haben ein hohes Risiko für neuerliche derartige Zwischenfälle. Bei einem Drittel kommt es binnen fünf Jahren zu einer weiteren Thrombose oder Embolie.
Nach einer Thromboembolie ist zumeist auch eine weitere Prophylaxe notwendig. Wiener Wissenschafter um Sabine Eichinger haben ein Online-Instrument zur Berechnung des Risikos von Patienten für neuerliche Venenthrombosen und eventuell auch Lungenembolien entwickelt.
Das System wurde in der Fachzeitschrift "Circulation" als "Vienna Prediction Model" vorgestellt und soll das Fünfjahresrisiko leichter berechenbar machen. Dabei werden Geschlecht, Ort der Thrombose (Unterschenkel, Oberschenkel oder Becken oder Lungenembolie) und Laborbefunde berücksichtigt. Entsprechend wird die Dauer der blutverdünnenden Therapie angepasst.