Jungfernsteuer, Bartsteuer, Hundesteuer, Sexsteuer: Den Gesetzgebern aller Herren Länder war noch nie etwas zu absurd, um es nicht mit Abgaben zu belegen.
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Wenn du Auto fährst, versteuere ich die Straße. Wenn dir kalt wird, versteuere ich die Heizung. Wenn du spazieren gehst, versteuere ich deine Füße.
Die englische Steuer weiß immer und überall die Hand aufzuhalten. Selbst bei Toten. Bezugnehmend auf den Brauch, Verstorbenen Penny-Stücke auf die Augen zu legen, legt sie denen, deren Ende nahe ist, sogar nahe, auch die Penny-Stücke auf ihren Augen zu deklarieren.
Das Szenario stammt aus George Harrisons Lied "Taxman" vom Beatles-Album "Revolver" aus dem Jahr 1966. Eine spätere Live-Version des Songs (aus dem Jahr 1991) belegt obendrein, dass der Fiskus niemals schläft und seine Begehrlichkeiten stets den Zeichen der Zeit anpasst. Hast du Übergewicht, heißt es da, versteuere ich dein Fett.
Klagen und Prozesse
Es ist wie ein Naturgesetz: Wer Steuern zahlt, klagt. Nicht immer bleibt dabei das Klagen nur eine Gefühlsregung: In Berlin zog kürzlich ein Hotel gegen die Stadt vor Gericht, um ein Verfahren gegen die sogenannte Bettensteuer anzustrengen. Diese Abgabe, offiziell Citytax genannt, sieht vor, dass von jeder Übernachtung von Privatreisenden fünf Prozent an die Stadt abzuführen sind. Für Geschäftsreisende gilt diese Regelung, die Berlin jährlich 25 Millionen Euro bringen soll, nicht. Und das stößt bei den Berliner Hotelbetreibern auf Unverständnis.
Die Bettensteuer ist allerdings keine besonders ausgefallene, sondern einer schon lang und weithin gebräuchliche Abgabe. Es gibt sie außer in Berlin auch in anderen deutschen Großstädten wie Köln, Hamburg und Freiburg; es gibt sie in weiteren europäischen Metropolen wie Paris oder Rom - und auch in Wien, wo sie Kurtaxe heißt. Dass der Tourismus gegen sie besonders mobil macht, liegt an der besonderen Sensibilität der Branche gegen Abgaben. Denn die Politik wildert nach dem Geschmack der Touristiker allzu gerne in ihren Revieren, wenn es daran geht, Inhalt für leere Kassen zu finden.
Als aktuelles, diesfalls die Gastronomie betreffendes Beispiel wird in Österreich die Sektsteuer gesehen, die im Frühjahr 2014 eingeführt worden ist. Neben der Sektsteuer kam eine zwanzigprozentige Erhöhung der Alkoholsteuer; voran ging ihr eine Erhöhung der Tabaksteuer. Seit März dieses Jahres ist jede Flasche Sekt mit zusätzlichen 90 Cent belastet; hochprozentige Getränke und Zigaretten sind empfindlich teurer geworden.
Interessant ist die Begründung des fiskalischen Beutezugs. Dieser geriert sich nämlich als Initiative zur Gleichstellung von Mann und Frau; indirekt sogar als Schritt zu mehr Einkommensgerechtigkeit: Wenn Männer schon numerisch mehr verdienen als Frauen, so werden wir dafür sorgen, dass ihr reales Einkommen nicht wirklich höher ist - das jedenfalls vermittelt das Vorblatt zum Abgabenänderungsgesetz, in dem vom Finanzministerium die Details und Motive der Steuererhöhungen auseinandergesetzt werden: "Aufgrund eines differenzierten Konsum- und Kaufverhaltens können (. . .) Männer von gewissen Änderungen tendenziell stärker betroffen sein", heißt es da. "Unter anderem betrifft die Anhebung der Tabaksteuer prozentuell mehr Männer als Frauen, auch ist deren genereller Tabakkonsum höher; ähnliches trifft auf den Konsum alkoholischer Getränke und leistungsstarker PKWs zu."
Dumme Steuern
An der Effektivität der Maßnahmen zweifeln indes nicht nur Gastronomen, sondern auch Wirtschaftsexperten. Ebenso umstritten ist unter diesen die sogenannte KEST II im Finanzsektor. Sie ist eine novellierte Form der Kapitalsertragssteuer (KEST) auf Wertpapiere. Der renommierte Wirtschaftsjournalist Franz C. Bauer nennt sie "die dümmste Steuer, die in Österreich derzeit existiert", er spricht von einem "großkoalitionären Pfusch", und warnt: "Diese Steuer bringt die Wiener Börse um." Die KEST ist dazu da, Gewinne aus Wertpapieren zu besteuern. Die KEST II besteuert aber nominelle Gewinne auch, wenn diese unter der Inflationsrate liegen. "Meistens besteuert die KEST II Verluste", resümiert Bauer.
Abgabe für die U-Bahn
Ein echtes österreichisches Unikat ist die Werbeabgabe. Sie beträgt fünf Prozent, gilt für klassische Werbung (Print, TV, Radio, Kino) und muss vom Werbetreibenden inkassiert und abgeführt werden. Historisch basiert sie auf der 1927 eingeführten "Ankündigungsabgabe", hat sich in der Zweiten Republik zunächst regional unterschiedlich entwickelt und ist 2000 bundesweit auf einheitliche Höhe gebracht worden. Jährlich werden aus der Werbeabgabe etwa 110 Millionen Euro generiert; regelmäßig fordern Werbetreibende ihre Abschaffung.
Seit 1970 gibt es in Wien eine U-Bahn-Steuer. Sie ist, wie der Name nahe legt, zur Finanzierung der U-Bahn eingeführt worden. Damals musste jedes Unternehmen zehn Schilling pro Mitarbeiter und Kalenderwoche an die Stadtkasse zahlen. 2012 wurde sie auf zwei Euro angehoben.
Die Gesellschaftsteuer ist eine Kapitalverkehrssteuer von einem Prozent, die etwa auf den Kauf von Gesellschaftsrechten oder die Verlegung einer Geschäftsleitung nach Österreich eingehoben wird. Die Feuerschutzsteuer wiederum ist in die Prämie für die Feuerversicherung integriert und fließt in die Finanzierung von Feuerwehren und Brandverhütungsstellen.
Aus dem Jahr 2011 stammt die Medizinprodukteabgabe. Sie wird von Unternehmen und Personen, die Medizinprodukte an Konsumenten verkaufen, also auch (unter Umständen) Ärzten, Bandagisten, Orthopäden, Optikern usw. eingefordert. Die Höhe der Steuer hängt von der Art des Produkts und der Anzahl der jeweiligen Betriebsstätten ab.
Auch Unterhaltung bleibt in Österreich nicht vom Zugriff des Fiskus verschont. Veranstaltungen, die Spaß machen könn(t)en - Kino, Theater, Konzerte etc. - sind mit einer Lustbarkeitsabgabe, volksmündlich Vergnügungssteuer, belegt. Die Lustbarkeitsabgabe ist ebenso Landessache und unterschiedlich hoch wie die per nominem noch skurriler anmutende Luftsteuer.
Allerdings handelt es sich bei diesem Begriff um eine volksmündliche Verballhornung. In Wahrheit ist sie nämlich eine Gebrauchsabgabe für die Benützung öffentlichen Raums: etwa für Teile, die von einem Haus über einen Gehsteig ragen, also Werbetafeln, Hinweisschilder, abstehende Geschäftsportale und Markisen. Auch für die alljährlich neu zu bewilligenden Schanigärten ist eine Gebrauchsabgabe zu bezahlen.
Neben der Luftsteuer soll in Österreich bald auch eine Sonnensteuer implementiert werden. Auch dieser Terminus ist etwas irreführend, er meint nämlich eine Abgabe auf Solarenergie. Diese stammt schon aus dem Jahr 1996, ist aber bisher nicht exekutiert worden. Geht es nach den Plänen des Finanzministeriums, muss mit einer Elektrizitätsabgabe von 1,5 Cent je Kilowattstunde rechnen, wer mehr als 25.000 Kilowattstunden Solarstrom im Jahr produziert und damit seine eigenen Geräte betreibt. Das beträfe allerdings nur Unternehmen, nicht den normalen Hausbesitzer mit Photovoltaikanlage am Dach.
72 Euro pro "Ersthund"
Viel belächelt wird in Österreich die Hundesteuer, deren Preisgestaltung in die Hoheit der Länder fällt. In Wien werden pro Ersthund 72 Euro im Jahr erhoben, für jeden weiteren Bello 105 Euro. Ermäßigung gibt’s für Wachhunde in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben: Da kostet jeder Hund 36 Euro im Jahr.
Die Hundesteuer ist indes ebensowenig auf Österreich beschränkt wie skurrile Abgaben generell. So wird in Köln eine Sexsteuer erhoben. Swingerclubs, Striptease-Bars und ähnliche Etablissements bezahlen nach Fläche, während für den Bereich der Prostitution eine Pauschale von 6 Euro pro Sexualdienstleister erhoben wird.
In Frankreich ist 2012 eine Colasteuer eingeführt worden. Sie gilt nicht nur für die braune Limonade selbst, sondern für alle mit Süßstoff oder Zucker angereicherten Getränke wie beispielsweise Milch-Shakes oder Säfte. Eine 1,5-Liter-Flasche wurde im Durchschnitt elf Cent teurer.
"Nutella-Steuer"
Der Grund: Die französische Bevölkerung wird, wie andere Wohlstandsbevölkerungen auch, immer dicker. Und um dem Übel gleich umfassend auf den verfettenden Leib zu rücken, hat Frankreich auch eine Abgabe eingeführt, die als Nutella-Steuer bekannt ist. Faktisch handelt es sich um eine Steuer auf alle Produkte, die Palmöl und andere pflanzliche Öle enthalten.
Bestehende Steuern sagen viel über ein Land und das Kalkül seiner Regierenden aus. Aber auch Steuern, die abgeschafft worden sind, vermitteln Einblicke in seine Kulturgeschichte. In Russland führte Zar Peter I. im Jahr 1698 eine Bartsteuer ein. Er wollte das Land modernisieren und Reisen ins westliche Europa hatten ihn zur Überzeugung gebracht, dass wallende Bärte damit nicht wirklich vereinbar waren.
Widerständige Bartträger - deren es nicht wenige gab - hatten eine Zahlung zu entrichten und erhielten als Bestätigung für deren Leistung ein Kupferstück ausgehändigt. Dieses hatten sie stets mit sich zu tragen, wollten sie nicht im äußersten Fall eine Zwangsrasur riskieren. Zarin Katharina schaffte die Bartsteuer 1772 ab. Vor Russland hatte schon Frankreich im 17. Jahrhundert die männliche Kinnbehaarung mit einem Obolus belegt. Allerdings betraf sie nur Geistliche: König Franz I. gefielen Bärte bei kirchlichen Würdenträgern so wenig, dass er darauf eine Abgabe einhob. Die führte zu einer optisch anschaulichen Spaltung zwischen hohem und niederem Klerus, da sich hohe Geistliche die Abgabe locker leisten konnten. Schließlich entschied die Pariser Sorbonne im Jahr 1561, dass das Tragen eines Bartes mit priesterlicher Ehrbarkeit unvereinbar sei und stellte solchermaßen einheitliche Verhältnisse her.
"Perückensteuer"
In Preußen zeigte sich der Premierminister Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg besonders kreativ im Erfinden origineller Abgaben. Unverheiratete Frauen zwischen 20 und 40 Jahren wurden zur Zahlung einer Jungfernsteuer verpflichtet, außerdem erfand von Wartenberg die Perückensteuer, die Hutsteuer und die Strumpfsteuer. Im Vergleich dazu kommen wir mit Luftsteuer, Hundesteuer und Sektsteuer noch einigermaßen glimpflich davon.
Bruno Jaschke, geboren 1958, lebt als freier Journalist und Autor in Wien und ist ständiger Mitarbeiter der "extra-music"-Seite. Zuletzt ist von ihm der Prosaband "Im Arsch daheim" (Arovell, 2014) erschienen.