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Für Angela Merkel wird die Luft immer dünner

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Angesichts der Flüchtlingswelle nach Deutschland sollte nicht nur die Kanzlerin die kompromisslose Allianz mit den USA in der Syrien-Frage überdenken.


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Nur selten bemühen sich westliche Redaktionen um Interviews mit Syriens Präsident Bashar al-Assad. Auf seine Vorschläge zur Bekämpfung der IS-Milizen verzichten Diplomaten, russische Militäreinsätze in Syrien werden angeprangert, und Assads Warnungen stoßen auf taube Ohren, denn sie sind nicht im Interesse der USA und Saudi-Arabiens. "Der Westen weint mit einem Auge um die Flüchtlinge, während er mit dem anderen sein Gewehr auf diese abzielt", sagte Assad in einem Interview über das außenpolitische Handeln der Regierungen Nordamerikas und Europas, das seit Ausbruch des Arabischen Frühlings zunehmend irrationaler wird.

Bestes Beispiel ist der außen- und innenpolitische Zickzack-Kurs der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. 2003 zählte die damalige CDU-Chefin Merkel zu den stärksten Befürwortern des Irak-Kriegs, die für eine "unumgängliche Schadensbegrenzung" plädierten. Heute blickt die Welt auf das instabile Land an Euphrat und Tigris, in dem sich radikale Islamisten formieren.

Rund zwei Millionen Flüchtlinge verließen laut UNHCR-Angaben zwischen 2003 und 2007 den Irak. In der gleich langen Zeitspanne von 2011 bis 2015 sind bereits mehr als vier Millionen Menschen aus Syrien geflohen. Jedem Politiker und jeder Hilfsorganisation muss klar sein, dass internationale Akteure vor Ort versagen und nationale Regierungen scheinbar zu wenig unternehmen wollen, um daran etwas zu ändern.

Inzwischen wird die Luft für Merkel immer dünner. Für eine unkontrollierte Einwanderung tausender Flüchtlinge in ein wirtschaftlich geschwächtes Deutschland mag sich die Kanzlerin vielleicht erst in ein paar Jahren verantworten müssen. An soziale Unruhen, wenn die Gelder nicht mehr reichen, will vorerst noch keiner glauben. Wie wird Merkel es aber dem Freund in Washington weiterhin recht machen können, wenn sie erstmals den Dialog mit Assad sucht?

Chaos in Afghanistan, im Irak, in Libyen und in Syrien, eine Abwanderung ganzer Städte und Dörfer in ein Westeuropa, für das die Integration der zweiten und dritten Migrantengeneration bereits eine große Herausforderung darstellt, sowie die andauernde Zurückhaltung der USA in der Flüchtlingskrise - all diese Entwicklungen müssten europäischen Regierungschefs und Redakteuren allmählich die Augen öffnen. "Europa muss sich von den USA emanzipieren", rät Stephen F. Cohen, ein US-Professor an der Princeton University. Damit hat er nicht unrecht, denn China und Russland sind immerhin Vetomächte im Sicherheitsrat der UNO und potenzielle Partner.

Kompromisslose Allianzen, die der EU mehr schaden als nützen, lassen sich durchaus neu überdenken, wenn man dazu bereit ist. Wird Merkel, die den USA den NSA-Abhörskandal großherzig verziehen hat, diesen Schritt wagen? Die Bevölkerung nähme sie dann vielleicht wieder ein wenig ernster, als manche Medien es noch tun.