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Seinen Anhängern gilt der Chef der kurdischen Untergrundorganisation PKK, Abdullah Öcalan, als heldenhafter Vorkämpfer für ein freies Kurdistan. Für die türkische Regierung und große Teile der | Bevölkerung ist er dagegen ein Massenmörder und der Staatsfeind Nummer 1.
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Der türkische Präsident Süleyman Demirel versicherte einst: "Wo immer er sich in der Welt aufhält, wir werden ihn verfolgen." Mitte Februar ging die Verfolgungsjagd in Kenia zu Ende, wo der
türkische Geheimdienst Öcalan aufstöberte. Am Dienstag endete auf der Gefängnisinsel Imrali nun auch der Hochverratsprozeß gegen Öcalan: Das Staatssicherheitsgericht verurteilte ihn zum Tod durch den
Strang.
Der Kampf der kurdischen Separatisten gegen die Regierung begann 1984, als die Militärorganisation der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) einen spektakulären Anschlag auf einen Stützpunkt der türkischen
Armee verübte. Seitdem führen die türkischen Regierungstruppen und die PKK einen erbitterten Krieg, der bis in den Nordirak und ins iranische Grenzgebiet hineingetragen wurde. Im Guerilla-Kampf für
ein unabhängiges Kurdistan im Südosten der Türkei wurden in mehr als 14 Jahren bei PKK-Anschlägen, Gefechten zwischen Armee und Separatisten sowie bei türkischen Vergeltungsaktionen etwa 30.000
Menschen getötet, unter ihnen auch viele Zivilisten. Für alle Toten macht die Türkei Öcalan verantwortlich.
Öcalan wurde 1949 als Sohn eines armen Landarbeiters in dem Dorf Omerli im Südosten der Türkei geboren. In Ankara studierte er Politikwissenschaften und wurde Anführer einer linksradikalen
Studentenorganisation aus Türken und Kurden. Später wandte er sich dem kurdischen Nationalismus zu, verband ihn mit marxistisch-leninistischen Positionen und gründete 1974 die PKK. "Ihr müßt vor
allem daran glauben, daß die Revolution kommen muß; es gibt keine andere Wahl", sagte Öcalan im August 1998 in einer Fernsehansprache an die kurdische Jugend. Er propagierte den Kampf gegen das NATO-
Mitglied Türkei und dessen "imperialistische und zionistische" Verbündete.
Öcalan war nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 ins Exil gegangen und lebte vorwiegend in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Im syrisch beeinflußten Libanon soll die PKK Ausbildungslager für
Untergrundkämpfer unterhalten haben. Im September des Vorjahres forderte die Türkei von Syrien die Auslieferung Öcalans und drohte unverhohlen mit militärischer Gewalt. Öcalan verließ daraufhin
Syrien und fand zunächst Unterschlupf in Rußland. Am 12. November reiste er mit einem falschen Paß nach Italien und wurde auf Grund eines deutschen Haftbefehls festgenommen, später aber wieder
freigelassen. Aus Furcht vor Gewaltaktionen der Anhänger Öcalans in der Bundesrepublik verzichtete Deutschland auf ein Auslieferungsersuchen. Am 16. Jänner verließ Öcalan Italien mit unbekanntem
Ziel. Eine Auslieferung in die Türkei kam für die Regierung in Rom nicht in Frage, weil Öcalan dort die Todesstrafe droht.