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Nur wenig Wille zu Veränderung hat nach Meinung von Bíldungsforscher Pechar der Bildungsgipfel bewirkt. Vielmehr habe es sich um einen "Beschwichtigungsdialog" gehandelt.
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Niemand konnte sich vom "Bildungsgipfel" eine Lösung der durch PISA aufgedeckten Probleme erwarten. Aber auch symbolische Aktionen sind mitunter wichtig. Umso nachdenklicher stimmen die von der Regierung verbreiteten Signale: kosmetische Korrekturen, um darüber hinwegzutäuschen, dass in der Substanz alles beim Alten bleiben soll.
Ein kurzer Blick zurück: Als im vergangenen November erste Details über die PISA-Katastrophe durchsickerten, glaubte eine schreckgelähmte Bildungsministerin, mit den üblichen Abwehrreflexen über die Runden zu kommen: Die Eltern seien Schuld, die Ausländer, die "beharrenden Kräfte", eigentlich alle - mit Ausnahme der eigenen Politik. Sobald sich abzeichnete, wie gewaltig die Resonanz von PISA in der Öffentlichkeit war, haben ihr die Medienberater erklärt, dass solche Worthülsen nicht wirklich gut ankommen. Zum Zweck der Schadensbegrenzung war vorübergehend Tauwetter angesagt. Führende ÖVP-Politiker überboten sich darin, ihre Bereitschaft zur ideologischen Öffnung zu signalisieren. Über alles sollte man reden können. Auch das "G-Word", jahrelang selbst von Befürwortern schamhaft als "gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen" umschrieben, durfte in aller Öffentlichkeit ausgesprochen werden.
Seit einigen Wochen ist wieder alles anders. Die Kernschichten, allen voran die AHS-Lehrergewerkschafter, rüsten zum Widerstand gegen die "Zerschlagung eines historisch gewachsenen und bewährten Systems". Die Schrecksekunde ist überstanden, das konservative Lager konsolidiert sich, die Scheuklappen werden reaktiviert. Andreas Khol bekundet freimütig, die ganztägige Gesamtschule sei für ihn eine Horrorvorstellung ("Die Presse", 28.1.2005). Bildungssprecher Werner Amon plädiert für die Wiedereinführung von Aufnahmeprüfungen in die AHS. Vorwärts, zurück in die Steinzeit!
Bei der Senkung des Argumentationsniveaus haben die Verteidiger des Status quo jede Zurückhaltung abgelegt. Dass die AHS bei PISA besser als die Hauptschule abschneidet, wird allen Ernstes als Argument gegen die Gesamtschule ins Treffen geführt. Diese Logik ist ausbaufähig: Wozu sozialstaatliche Umverteilung, wo es doch nachweislich die Reichen sind, die den höchsten Lebensstandard haben?
Welche Erfolgschancen hat diese Politik des Einbunkerns? Langfristig keine, denn die Bildungskrise ist keine eingebildete Krankheit, die sich mit Placebos heilen lässt. 2006 steht eine neue PISA- Runde ins Haus, auf Dauer lässt sich die österreichische Gesellschaft nicht zum Narren halten. Aber auch mittelfristig dürfte es sich um eine ideologische Geisterfahrt handeln, die an den Stil des früheren Bischofs von St. Pölten erinnert. Der harte Kern der ÖVP gegen den Rest der Welt. Nicht nur der Koalitionspartner widerspricht der großen Regierungspartei, selbst vom Katholischen Familienverband wird sie links überholt. Auch Wirtschaft und Industrie gehen in der Bildungspolitik eigene Wege.
Kein Wunder, dass die ÖVP als einzige Partei an der Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze festhalten wollte. Nun, wo sie auf Grund des öffentlichen Drucks diese Position aufgegeben hat, werden die Karten neu gemischt. Österreich muss jetzt in einen echten Reformdialog eintreten, um aus der Sackgasse herauszukommen, die den Weg in die Wissensgesellschaft versperrt.
Der Autor ist Leiter der Abteilung "Hochschulforschung" der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) an der Universität Klagenfurt.