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Für das Wohl der Kinder

Von Mario Schiavon

Wirtschaft

Was sich im österreichischen Kindschaftsrecht im kommenden Jahr ändert.


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Fast jede zweite Ehe wird in Österreich geschieden. Doch nicht nur beim Auseinandergehen ehelicher Verbindungen sind das Kindswohl, Obsorgeregelungen und Besuchsrechte ein Thema. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) bedarf das österreichische Kindschaftsrecht einer grundlegenden Überarbeitung. Eine entsprechende Regierungsvorlage wurde gerade im Nationalrat eingebracht.

Eines der Ziele der Regierungsvorlage ist, die Gleichbehandlung unehelicher Kinder weiter voranzutreiben, ohne den Schutz der Kinder zu reduzieren. So soll die Betrauung beider Elternteile mit der Obsorge für uneheliche Kinder ausgebaut werden. Sollte das Gesetz in der jetzigen Fassung beschlossen werden, wird es etwa auch für nicht miteinander verheiratete Eltern einfacher, gemeinsame Obsorge zu erlangen. Dafür ist insbesondere eine (binnen acht Wochen widerrufliche) Erklärung vor dem Standesbeamten vorgesehen.

Abkühlungsphase und Lastenverteilung

Sollten sich die Eltern nach Auflösung der Ehe oder einer häuslichen Gemeinschaft nicht über die Obsorge binnen angemessener Frist einigen oder eine Änderung der Obsorge beantragen, sieht die Regierungsvorlage eine sechsmonatige "Abkühlungsphase" vor. In dieser hat das Gericht vorläufig zu entscheiden, bei welchem Elternteil das Kind nach der Trennung wohnen soll, wie Pflege und Erziehung wahrgenommen werden und wie die Kontaktzeiten aussehen. Das Kindeswohl wird im geplanten Gesetzeswortlaut durch die Aufzählung einer Vielzahl an Kriterien präziser umschrieben.

Darüber hinaus stellt der Gesetzesentwurf auf gleiche Lastenverteilung zwischen den Eltern ab. Die geplante Novellierung betrifft daher auch das Kontaktrecht (früher "Besuchsrecht") und stärkt Verantwortung und Befugnisse anderer Erwachsener, zum Beispiel bei Patchworkfamilien.

Entschärfung der familiären Situation

Neu eingeführt werden soll der "Besuchsmittler". Dieser vermittelt in Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Kontaktrechts zwischen den Eltern und unterstützt und begleitet die persönlichen Kontakte.

Geplant ist auch, dem Gericht - und damit letztlich den betroffenen Familien - bessere Mittel zur Verfügung zu stellen, um Situationen zu entschärfen. Einerseits soll das Gericht den Streit beruhigende Schritte setzen können, etwa durch Erziehungsberatung oder Anti-Aggressionstraining für die Eltern. Andererseits soll die Sachverhaltsfeststellung durch die Einrichtung der Familiengerichtshilfe vereinfacht werden. Denn diese übernimmt sozialarbeiterisch-psychologische Erhebungs- und Streitschlichtungsaufgaben.

Für die Richter rücken so die rechtlichen Aspekte der Fälle mehr in den Fokus. Dies wiederum verbessert die Qualität und die Nachhaltigkeit der Verfahren und Entscheidungen.

Mario Schiavon ist Partner bei PHHV Prochaska Heine Havranek Vavrovsky Rechtsanwälte.

www.phhv.at