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Berlin/Pressburg - Briefe an den deutschen Außenminister Joschka Fischer blieben ohne Antwort. Auch von dessen Staatsminister Christoph Zöpel fühlt sich der Zentralverband der Jüdischen Gemeinden in der Slowakei im Stich gelassen. Dass Zöpel sein Versprechen, Verhandlungen aufzunehmen, nicht eingehalten habe, darüber sei er schon enttäuscht, sagt der Vorsitzende der kleinen jüdischen Gemeinde in der Slowakei, Fero Alexander. "Es handelt sich schließlich um eine der zynischsten Aktionen im Zweiten Weltkrieg. Die Opfer mussten im Voraus noch für ihren Tod bezahlen."
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Der Vorgang ist historisch belegt: Im Jahre 1942 wurden insgesamt 57.837 slowakische Juden in Vernichtungslager deportiert. Die meisten wurden sofort nach der Ankunft ermordet. Als Überlebende meldeten sich nach dem Krieg knapp 300 Menschen. Nach einer Vereinbarung Nazideutschlands mit dem faschistischen Regime in Pressburg unter Führung des Priesters Jozef Tiso wurden für jeden Verschleppten 500 Reichsmark an die Deutschen überwiesen. Deklariert wurde dieses "Kopfgeld" als Kosten für "Umschulung" und die angebliche "Ansiedlung" im Osten. Dafür erhielt die Slowakei die offizielle Zusage, dass Juden nicht zurückgebracht und die Deutschen keine Ansprüche auf deren Vermögen erheben würden.
Akten, die nach dem Krieg entdeckt wurden, offenbarten das Ausmaß der Geldströme: Über ein offizielles Warenkonto flossen umgerechnet mehr als 17 Millionen Reichsmark an die Deutsche Reichsbank. "Finanziert" wurde die Deportations-Abgabe dadurch, dass die Vermögen der Opfer beschlagnahmt wurden. Bis heute sind alle Versuche gescheitert, von diesem geraubten Geld etwas zurückzuerhalten. Deshalb reichten die jüdischen Vertreter vor kurzem Klage gegen die deutsche Regierung ein. Im März findet vor dem Landgericht Berlin die erste Verhandlung statt.
"Wir hatten keine andere Wahl", sagt Alexander, der selbst Sohn von Holocaust-Überlebenden ist. "Dies ist nicht nur ein juristisches, sondern auch ein moralisches Problem, für das Deutschland schließlich Verantwortung trägt." Bei der Klage gehe es nicht primär um persönliche Entschädigung: "Wir brauchen die Gelder dringend für die Instandhaltung der mehr als 700 Friedhöfe und verfallenen Synagogen oder den Betrieb des Altersheims für Holocaust-Überlebende."
Nach Angaben von Rainer Arzinger, der die jüdische Gemeinde der Slowakei vertritt, beläuft sich der theoretische Anspruch für die Rückforderung nach heutigem Wert auf etwa 150 Millionen Mark (76,7 Mill. Euro/1,055 Mrd. S). Auf diese gesamte Summe poche man aber nicht, man sei weiter an einer politischen Lösung interessiert. "Geradezu provokativ und ignorant" nennt Arzinger Argumente der Gegenseite. In der Klage-Abweisung zieht das von der deutschen Regierung beauftragte Anwaltsbüro nicht nur die Legitimation der Kläger als Vertretung der jüdischen Gemeinden in der Slowakei in Zweifel. In dem Schriftsatz heißt es zudem, Berlin habe auch nach sorgfältiger Nachforschung keine Unterlagen für die Behauptungen der Kläger gefunden. Für geradezu zynisch hält er die Argumentation der Regierungs-Anwälte, es handle sich um "individuelle Ansprüche" der Ermordeten. Ihm müsse erst jemand erklären, wie Tote ihre Ansprüche noch geltend machen sollen, sagt der Kläger-Anwalt empört.
Die Täterseite hatte oft nicht solche Probleme. Kurz vor Kriegsende zerschlug der berüchtigte SS-Scherge Alois Brunner die jüdische Untergrundbewegung in der Slowakei und ließ 12.000 Menschen nach Auschwitz deportieren. Anni Brunner, die Frau des in Syrien untergetauchten Mitarbeiters von Adolf Eichmann, prozessierte um Mobiliar und bekam 1956 vor Gericht Recht. Nach Recherchen von Historikern handelte es sich dabei um Stücke, die bei den Juden- Deportationen in der Slowakei und anderswo erbeutet worden waren.