In Rumänien liegt vor der Stichwahl um die Präsidentschaft der Sozialdemokrat Adrian Nastase deutlich vorne. Doch neuerliche Betrugsvorwürfe bringen ihn in Bedrängnis.
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Die Bombe platzte zeitgerecht zum rumänischen Wahlkampfinale. Vier Tage vor der morgigen Präsidentenwahl konfrontierten Journalisten den Bürgermeister von Alexandria mit einer peinlichen Tatsache: Es gebe Videobänder, auf denen der Stadtchef und sein Vize dem örtlichen Oppositionsführer ein unmoralisches Angebot machen: Wenn die Wahlbeobachter der Opposition bei der Stimmauszählung wegschauen, gibt es 5.000 Euro auf die Hand und sechs wichtige Posten in der Lokalverwaltung als Draufgabe.
Für die Opposition ist der Skandal der schlagende Beweis dafür, dass bereits in der ersten Runde gefälscht wurde und die Regierung nun mit allen Mitteln versucht, ihren Vorsprung zu halten. Um fast 7 Prozent liegt der amtierende Premier und sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat Adrian Nastase vor dem Oppositionskandidaten Traian Basescu. Gelingt es Basescu nicht, den Rückstand aufzuholen, werden die aus der KP hervorgegangenen Sozialdemokraten für weitere vier Jahre die volle Kontrolle über das Land haben. Denn auch bei den vor zwei Wochen durchgeführten Parlamentswahlen liegen sie vorne. "Zwischen Hoffnung und Verzweiflung", sieht die Zeitung "Adevarul" daher die Opposition.
Der entscheidende Vorteil für Nastase könnte in seiner ganz besonders disziplinierten Wählerschaft bestehen. "Für den Sozialdemokraten Nastase stimmen überdurchschnittlich viele Leute, die sich gar nicht vorstellen können, einen anderen als den von der Partei empfohlenen Kandidaten zu wählen", sagt der prominente Publizist Cristian Tudor Popescu. Zu Gute käme Nastase aber auch, dass er in den vergangenen vier Jahren als Premier einen sehr großen Bekanntheitsgrad erreichte.
Der Manipulator
Für seine Popularität hat Nastase allerdings nicht immer mit sauberen Mitteln gesorgt. In einer von "Reporter ohne Grenzen" diese Woche vorgestellten Studie wird Nastase permanente Gängelung kritischer TV-Journalisten vorgeworfen. Durch Interventionen seines Büros seien regierungskritische Berichte regelmäßig auf zuseherarme Zeiten verlegt oder gar gestrichen worden.
Auf diese Art erreicht Nastase exakt die Leute, die er erreichen will: Nicht die tendenziell kritischen Städter, sondern die weiten Massen auf dem Land. Für sie ist der Postkommunist auch eine Erinnerung an vermeintlich bessere Zeiten.
Überall wo Armut herrscht - und fast jeder dritte Rumäne lebt unter der Armutsgrenze - kann Nastase auf Stimmen rechnen. "Nicht aus Überzeugung", wie der Publizist Popescu betont, "die Leute wählen ihn aus einer gewissen Lethargie heraus". Und weil sie sich von der Marktwirtschaft nichts erwarten: "Wir sitzen hier auf Bergen von Kohle", sagt ein Arbeiter aus dem Schiltal, "aber im Winter frieren wir uns in unseren Wohnungen den Hintern ab, weil wir uns die Heizung nicht leisten können".