Zum Hauptinhalt springen

Für den letzten Schliff nach Wien

Von Herbert Hutar

Wirtschaft
Wissen als Werkzeug: Der Internationale Währungsfonds hält knapp die Hälfte der Kurse ab. Foto: fotolia

JVI unterstützt Länder beim Übergang zur Marktwirtschaft. | Kursteilnehmer aus Ministerien, Notenbanken und Aufsichtsbehörden. | Wien. Sie zählen trotz ihrer Jugend bereits zu den wirtschaftspolitischen Eliten ihrer Länder: Die Absolventinnen und Absolventen von Kursen am Joint Vienna Institute (JVI) aus Ost- und Südosteuropa, aus Ost- und Zentralasien sowie aus der Türkei sind nicht viel älter als 30 Jahre.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das JVI ist eine wirtschaftspolitische Kaderschmiede der besonderen Art: Junge Experten aus den Finanz-, den Wirtschaftsministerien, den Notenbanken und den Aufsichtsbehörden von Ländern, die gerade eine moderne, marktorientierte Wirtschafts- und Geldpolitik aufbauen, bekommen nach der Hochschule im JVI den letzten Schliff.

Vor kurzem ging ein zehntägiger Kurs mit dem etwas sperrigen Titel "Wirtschaftspolitisches Management und Belange des Finanzsektors" zu Ende. Die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus 21 Ländern, von der Slowakei über Weißrussland, der Türkei, der Mongolei bis China und Vietnam. Sie zeigten sich hoch motiviert.

Ha Hai An arbeitet in der Zentralbank in Hanoi, Abteilung für internationale Beziehungen und den IWF. "Mich interessiert besonders der Zusammenhang von Wechselkurspolitik und Wettbewerbsfähigkeit", sagte Herr An, "aber auch, wie man eine Volkswirtschaft stabil hält und die Bildung von Blasen vermeidet."

Von der Theoriein die Praxis

Mine Ergun Bakdur, im Planungsministerium in Ankara zuständig für politische Analysen, Wirtschaftsmodelle und regionale Entwicklung, schätzte die Praxisnähe: "Die theoretischen Ansätze beherrsche ich ganz gut", sagt sie, "aber die Umsetzung in die praktische Politik ist oft schwierig. Da habe ich wertvolle Anregungen bekommen." Auch Ana Mihaylova, Expertin im Kabinett des Finanzministers in Sofia, fand die Fallbeispiele für die Umsetzung theoretischer Modelle in die angewandte Politik besonders wertvoll.

Octavian Taeca ist in der moldawischen Nationalbank stellvertretender Direktor der Abteilung für Wirtschaftsforschung, Analysen und Prognosen. Er besuchte bereits das vierte Mal einen Kurs der JVI. "Wir arbeiten Empfehlungen für die Politik aus", sagte er, "mich interessieren besonders das Verhältnis von Notenbank und Finanzministerium und Fragen der Stabilität des Finanzsystems." Ebenfalls im Vorzimmer der Politik arbeitet Dovile Naktinyte als Chefexpertin für die EU und internationale Beziehungen im litauischen Finanzministerium in Vilnius. Sie bereitet die Fachunterlagen für den Minister vor. In Wien hat sie sich besonders für den Zusammenhang zwischen der Stabilität des Finanzmarktes und der Außenwirtschaft interessiert.

"Wir verstehen uns als internationale Trainingsplattform und wollen das bieten, was über die Universitätsausbildung hinausgeht, vor allem in Richtung praktischer Anwendung", sagt Burkhard Drees, stellvertretender Leiter des JVI, "man sieht, dass sehr unterschiedliche Länder oft ganz ähnliche Probleme haben."

Getragen wird das JVI wesentlich vom Internationalen Währungsfonds (IWF), von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und vom österreichischen Finanzministerium, finanziert wird es je zur Hälfte von Österreich und vom IWF. Einnahmen kommen von externen Kursveranstaltern.

Bis dato mehr als26.000 Kursbesucher

Das JVI wurde 1992 mit der Absicht gegründet, früheren kommunistischen Ländern durch Ausbildungsprogramme den Übergang zur Marktwirtschaft zu erleichtern. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Die Mitgliedsorganisationen sind um die Osteuropa-Wiederaufbaubank EBRD, die Weltbank, die OECD und die Welthandelsorganisation WTO erweitert worden. Die EU-Kommission hat Beobachterstatus.

Hinter einem unscheinbaren Portal in der Wiener Mariahilfer Straße verbergen sich in drei Stockwerken modern und großzügig ausgestattete Kurs- und Arbeitsräume ebenso wie eine Residenz im Hof mit knapp 70 Zimmern für die Studenten und Suiten für die Lektoren. Kurssprache ist Englisch, übersetzt wird ins Russische.

Der IWF hält knapp die Hälfte der Kurse ab. Die Lektoren kommen vom IWF und den anderen Mitgliedern des JVI. "In den Kursen wird nicht immer und unbedingt die offizielle IWF-Politik vertreten", betont Drees, "uns kommt es in erster Linie darauf an, aktuelle Themen auf hohem Niveau praxisnah zu diskutieren. Die Lektoren genießen ein hohes Maß an akademischer Freiheit."

Kursveranstalter sind neben dem IWF auch die übrigen Mitglieder des JVI, zum Beispiel die Oesterreichische Nationalbank, heuer mit sieben von insgesamt 63 Kursen, unter anderem zum Thema Südosteuropa und sein Weg in die EU.

Mehr als 26.000 Menschen aus den engen Zirkeln der wirtschaftspolitischen Macht ihrer Länder haben bisher Kurse des JVI besucht. Für sie ist das JVI ein Sprungbrett für die Karriere, nicht nur im öffentlichen Dienst, auch in der Privatwirtschaft.