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Für den Schein der Unabhängigkeit

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Ein unabhängiger Minister erweckt den Eindruck einer unabhängigen Justiz. | Die Arbeit wird dadurch allerdings erschwert. | Wien. Wenn die als Bawag-Richterin bekannt gewordene Claudia Bandion-Ortner zur neuen Justizministerin angelobt wird, ist sie die achte von bisher 15 Justizministern (drei amtierten zweimal) der Zweiten Republik, die keiner Partei angehört. In keinem anderen Ressort saßen öfter Parteilose als im Palais Trautson. Diese Tradition beginnt schon mit Josef Gerö 1945.


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Der Politikwissenschafter Peter Pelinka erklärt dieses Phänomen mit dem Schein der unabhängigen Justiz, der gewahrt werden soll. Schließlich sind die Minister etwa Staatsanwälten gegenüber weisungsberechtigt und können so einen gewissen Einfluss auf Verfahren nehmen. Hier soll durch einen Parteilosen der Verdacht des Parteien-Einflusses zerstreut werden. Es sei für die Bevölkerung beruhigend zu wissen, dass an der Spitze der Justiz eine unabhängige Person sitze, sagt Nikolaus Michalek, Justizminister der 90er Jahre. Es mache auch die Justiz unabhängiger.

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Diese Unabhängigkeit bezieht sich aber nur auf die Parteien, nicht jedoch auf die Politik, gibt Pelinka im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zu bedenken. Oder mit den Worten von Bundespräsident Heinz Fischer: "Auch ein parteiloser Justizminister hat als Minister eine politische Funktion."

Spekulationen über die Parteinähe Bandions

Wie unabhängig ein Justizminister von einer Partei sei, zeige sich oft daran, ob er an den fraktionellen Vorbesprechungen vor einem Ministerrat teilnimmt, so Pelinka. So gesehen wird sich zeigen, wie Bandion-Ortner ihre Parteilosigkeit anlegt. Da sie von der ÖVP nominiert worden sei, könnte man ohnehin über ihre Parteinähe spekulieren, gibt Pelinka zu bedenken. Ganz im Gegensatz etwa zu Michalek oder dem im vergangenen Jahr verstorbenen Egmont Foregger. "Diese wurden von den Koalitionsparteien gemeinsam nominiert."

Michalek war Präsident der österreichischen Notariatskammer, als ihn der Ruf in die Regierung ereilte. Dabei habe er "immer darauf Wert gelegt, eine Äquidistanz zu den politischen Parteien zu wahren", wie er sagt. Und dies sei ihm auch gelungen. Michalek kann somit als echter parteiloser Justizminister betrachtet werden, im Gegensatz etwa zu Dieter Böhmdorfer.

Er sei zwar nicht rechtlich, aber politisch ein Teil des freiheitlichen Lagers gewesen, bestätigt Böhmdorfer der "Wiener Zeitung". Allerdings war er während seiner vierjährigen Amtszeit kein FPÖ-Mitglied.

Auch Karin Gastinger war parteifrei, als sie ihr Amt antrat - auch als sie es verließ. Dazwischen war sie allerdings Mitglied des BZÖ. "Weil ich der Illusion erlag, dass es sich um eine liberale Partei handelte", sagt sie lachend, und weil man es als Justizminister mit Parteibuch leichter habe. Man habe einfach ein größeres Gewicht in der Regierung, "sonst bist du für alle ein Alien".

Das bestätigt auch Böhmdorfer: "Als Parteiloser kann man nur das tun, was einem die Parteien übrig lassen. Wenn Sie sich von den Parteien fern halten, bringen Sie nichts weiter."

Auch Michalek räumt ein, dass es als parteiloser Justizminister nicht leichter sei, aber anders. Man habe keine Partei, die hinter einem steht und notfalls ein Vorhaben mittels Tauschgeschäft umsetzt. "Man muss immer beide Seiten überzeugen", gibt Michalek zu bedenken. Allerdings bietet das auch große Chancen. So habe er mangels Rückhalt in einer Partei stets versucht, seine Vorhaben auf eine möglichst breite Basis zu stellen und auch die Oppositionsparteien eingebunden. In der Folge sei ein Großteil der Beschlüsse im Nationalrat einstimmig gefallen. Bei ideologisch strittigen Themen, etwa gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, tut man sich dann aber natürlich schwer, räumt auch Michalek ein.

"Politisches Geschick wichtiger als Partei"

Für Gastinger ist das Justizressort "eines der gesellschafts- und wirtschaftspolitisch wichtigsten Ressorts in Österreich". Dementsprechend viele Gesetzesinitiativen und -vorlagen gehen von diesem Ministerium aus. Damit diese allerdings erfolgreich sein können, braucht es die Zustimmung des Ministerrats. Um diese zu gewinnen, sei "politisches Geschick wichtiger als eine Parteizugehörigkeit", ist sich Politikwissenschafter Pelinka sicher.

Die Regierungsparteien sind aber nur eine Seite. Auf der anderen Seite steht der Justizapparat, also Staatsanwälte und Richter. Vor allem die Richter sind sehr um ihre Unabhängigkeit bedacht. Insofern tue man sich mit einem parteilosen Justizminister leichter, sagt Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung. Auf der anderen Seite sei es dadurch jedoch schwerer, bezüglich eigener Wünsche einen gewissen Einfluss in den Parteien auszuüben. Über die Berufung von Bandion-Ortner zeigt sich Zinkl zufrieden. "Sie weiß über die Anliegen und Sorgen des Richterstandes Bescheid", vor allem was zusätzliche Planstellen angeht. Hier wird sich die Neo-Ministerin mit Josef Pröll, quasi ihrem Erfinder, auseinandersetzen müssen. Auf parteibedingte Befindlichkeiten muss sie als Parteilose dabei keine Rücksicht nehmen.