Zum Hauptinhalt springen

Für die Geschichtsbücher

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Möglicherweise ereignet sich an diesem Donnerstag ein Eintrag in das Geschichtsbuch der Republik.

Bei der Liste der "Noch-nie-passiert"-Dinge muss man in Österreich allerdings unterscheiden: zwischen Sachverhalten, die in friedlichen Zeiten besser nicht geschehen, etwa die Anwendung der ultimativen Machtbefugnisse des Bundespräsidenten (Notverordnungsrecht, Entlassung des Kanzlers, Auflösung des Nationalrats etc.), und Ereignissen, die eigentlich zur erweiterten Normalität des Parlamentarismus gehören, wie die Annahme eines Misstrauensantrags gegen einen Minister im Nationalrat oder ein biederes Veto des Bundesrats.

Weder das eine noch das andere hat es in der 74-jährigen Geschichte der Zweiten Republik gegeben. Was viel über das Selbstverständnis von Abgeordneten, die Rolle der Parteien und die parlamentarische Qualität des Föderalismus aussagt.

Halten sich alle Beteiligten an ihre Ankündigungen, was überraschenderweise im wirklichen Leben wie in der Politik nicht immer der Fall ist, bringt die SPÖ die umstrittene Förderung für Biomasse im Bundesrat zu Fall. Über die notwendige Blockademehrheit (21 von 61 Abgeordneten) in der Länderkammer verfügt sie aus eigener Kraft; es darf halt keiner ausfallen. Die übrigen Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Grünen unterstützen den Antrag der Koalition.

Bemerkenswert ist: In der Sache selbst geht es um eine Lappalie, eine Übergangslösung für 47 Biomasse-Kraftwerke in der Höhe von 140 Millionen für drei Jahre; ab 2020 wird die Materie ohnehin gänzlich neu geregelt.

Der Bundesrat soll im Verfassungsgefüge der Republik die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung sicherstellen. Faktisch verfügt die Länderkammer, deren Abgeordnete auf Grundlage der Landtagswahlen von den Landtagen entsandt werden, lediglich über ein Blockaderecht. Dass dieses bisher noch nie zur Anwendung gelangt ist, hängt vor allem damit zusammen, dass die Länder auf informellen Wegen wirksamere Möglichkeiten haben, ihre Interessen gegenüber dem Bund durchzusetzen. Nicht zuletzt deshalb bestimmen parteipolitische und nicht föderalistische Motive das Verhalten der Abgeordneten. Das ist auch jetzt der Fall.

Festzuhalten bleibt also: Der Bundesrat setzt an, am Donnerstag Geschichte zu schreiben, indem er zum ersten Mal das tut, wofür er eigentlich ins Leben gerufen wurde: Nein zu sagen. Aber nicht im Namen des Föderalismus, sondern im Interesse des Parteienstaats. So deprimierend und doch so wahr. Offen bleibt nur die Frage: Warum ausgerechnet jetzt, warum wegen dieser relativen Nichtigkeit? Oder vielleicht genau deshalb? Man darf neugierig auf die Antworten sein.