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Für die Interessen der Bürger

Von Rupert Wolff

Gastkommentare

Wie soll man als Bürger zuversichtlich und tatkräftig sein, wenn der Staat sein Gewaltmonopol ständig aufrüstet?


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Unsere Welt verändert sich. Das ist nicht neu. Die Welt hat sich stets verändert, nur das Tempo dabei ist manchmal höher und manchmal niedriger. Wesentlich für Veränderungen ist, dass diese, soweit es möglich ist, in geordneten Bahnen ablaufen. Evolutionär sozusagen. So wie die Evolution des Menschen Naturgesetzen unterworfen ist, um das Erfolgsprodukt Mensch hervorzubringen, so muss die Evolution einer Gesellschaft auch Gesetzen unterliegen, damit nicht Barbarei und Gewalt unsere Geschichte bestimmen. Der Rechtsstaat ist Grundlage dieser gesellschaftlichen Entwicklung. Der Rechtsstaat regelt das Verhältnis der Rechte seiner Bürger untereinander aber auch das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat.

Das Gewaltmonopol des Staates ist kein Selbstzweck, es muss dem Bürger dienen, nicht dem Staat. Vorrangige Aufgabe der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist es, zwischen Bürgern und Staat so zu vermitteln, dass der Bürger als unser Mandant zu seinem Recht gelangt. Das passiert in den Gerichtssälen, dort wo widerstreitende Interessen ausgeglichen oder einfach auch ausgestritten werden müssen. Der einfache Zugang zum Recht ist denklogisch einer der wichtigsten Eckpfeiler eines Rechtsstaates. Bürokratische Zweckmäßigkeit und keine als Gerichtsgebühren getarnten, außerordentlichen Steuern sind hier unser Credo. Die Rechtspflege muss grundsätzlich aus dem normalen Steueraufkommen finanziert werden.

Der Staat muss sorgsam mit seinem Gewaltmonopol umgehen. Wir wollen weder einen Polizeistaat noch einen Überwachungsstaat. Wir wollen einen Rechtsstaat! Das heißt vor allem, eine ordentliche Gesetzgebung. Maßnahmen wie das neue Sicherheitspolizeigesetz oder die Vorratsdatenspeicherung werden Terroristen nicht von Gräueltaten abhalten, das haben Vorfälle aus der Vergangenheit bewiesen. Sie werden aber Bürgerrechte aushöhlen und damit den Bürger im sensiblen Verhältnis zu seinem Staat schlechter stellen. Wir Rechtsanwälte wissen um die Notwendigkeit der Balance zwischen Bürger und Staat wie kein anderer Berufsstand; wir wissen, was Willkür in Händen von Mächtigen bewirken kann; und wir sind geübt und berufen, durch unseren jährlichen Wahrnehmungsbericht, aber auch darüber hinaus tagtäglich durch unser Wirken in den Gerichtssälen einer Entwicklung entgegenzutreten, die dem Rechtsstaat schadet.

Staatsorgane sollen frei von Gefallsucht für die Interessen der Bürger arbeiten. Es irritiert, wenn die Polizei etwa zur Drogenrazzia am Wiener Gürtel Medienvertreter einlädt, es irritiert aber auch, was sich in manchen Strafverfahren in österreichischen Gerichtssälen in den letzten Jahren zugetragen hat. Was wir brauchen, ist staatliche Vorbildwirkung. Wie soll man als Bürger zuversichtlich und tatkräftig sein, wenn der Staat sein Gewaltmonopol ständig aufrüstet. Wie soll man als Bürger das Vertrauen in die staatlichen Institutionen aufrechthalten, wenn der Staat offen zu erkennen gibt, dass er uns als Bürger nicht mehr vertraut, uns sogar unter Generalverdacht stellt. Das drohende Missverhältnis zwischen Staat und Bürgern ist das größte Problem unserer Gesellschaft - unser Staat entwickelt sich in den Augen vieler Menschen zu einer Spielwiese für eine eigene politische Kaste, weg vom Schnittpunkt der Bürger eines Staates.

Der Einsatz für die Bürger bei Gericht, die intensive Einbindung in Gesetzesbegutachtungen, die Einbringung in den politischen Diskurs, das ist es, was wir Rechtsanwälte täglich leisten, um den Rechtsstaat so zu erhalten, wie ihn die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam aufgebaut haben.

Gastkommentar

Rupert Wolff

ist seit 1987 Rechtsanwalt in Salzburg. Seit 2002 war er Vizepräsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, dessen Präsident er seit dem Jahr 2011 ist.