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Für die Länder wird es enger

Von Walter Hämmerle und Brigitte Pechar

Wirtschaft

Bund will für die Länder nicht länger haften - Kärnten drohen Klagen von Gläubigern - Ruf nach Konkursrecht für Länder.


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Wien. Österreich mag im politischen Alltag - und im Bewusstsein der allermeisten Bürger - ein einheitliches Land sein, die verfassungsrechtliche Realität ist jedoch eine andere. Tatsächlich lässt bereits Artikel 2 (1) des Bundes-Verfassungsgesetzes ("Österreich ist ein Bundesstaat") keinen Zweifel, am föderalen Charakter der Republik; und gleich anschließend heißt es: "Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbstständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien."

Dieses "selbstständig" hat nun Finanzminister Hans Jörg Schelling ausdrücklich betont, als er eine Haftungsverpflichtung des Bundes für das an eingegangenen Haftungsverpflichtungen reiche Kärnten rundum ablehnte. "Die Republik haftet nicht für Kärnten."

Mit dieser historischen Premiere hat Schelling dem Bundesstaat Österreich mit einem Satz einen neuen Anstrich verpasst, denn wenn es keine Haftung für Kärnten gibt, gibt es - wie er ja selbst betont hatte - auch keine für irgendein Bundesland. Aber kann sich der Finanzminister respektive der Bund so einfach mit einem Satz aus der Affäre ziehen?

Ja, kann er. Tatsächlich hat Schelling nur ausgesprochen, was verfassungsrechtlich Sache ist: "Der Bund muss nicht automatisch für Haftungen, die die Länder eingegangen sind, einstehen, denn die Länder sind selbstständige juristische Personen", erklärt der Föderalismusexperte Peter Bußjäger der "Wiener Zeitung". Zwar sei dies in der Verfassung nicht ausdrücklich festgelegt, aber es ergebe sich indirekt aus der Rechtsstellung der Länder. Damit der Bund in Ziehung komme, müsse eine ausdrückliche Haftungserklärung erfolgen.

Die neue Situation ist durchaus dazu angetan, Landespolitikern und Unternehmen, deren Bonität sich auf Landeshaftungen stützt, den Angstschweiß ins Gesicht zu treiben. Bis dato profitierten diese alle von der Grundannahme der Gläubiger, dass der Bund schon einspringen werde, falls es einmal hart auf hart gehen sollte. Das ist ab sofort Vergangenheit. Und die Verhandlungen über den nächsten Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern werden mit Sicherheit auch nicht einfacher, ist Bußjäger überzeugt. Und das, obwohl die Entwicklungen der letzten Tage derzeit noch gar nicht zur Gänze abzusehen seien.

"Wenn der Bund den Ländern sagen kann, ,das geht mich nichts an‘, müssten die Länder mit eigenem Vermögen für ihre Kredite geradestehen", sagt Hans Pitlik, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut. Allerdings würde ein solches Szenario die Bonität der Bundesländer massiv infrage stellen. "Denn die Länder", so Pitlik, "haben keine eigenen Einnahmequellen".

Von den Gesamteinnahmen des Staates erhält der Bund 73,204 Prozent, die Länder bekommen 15,191 Prozent und die Gemeinden 11,605 Prozent. Die Länder erhalten also rund 45 Milliarden Euro. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat schon nach dem Inkrafttreten des Hypo-Sondergesetzes im August 2014 reagiert und die Bewertungen für die Bundesländer Wien, Niederösterreich, die Steiermark und das Burgenland von "AA+" auf "AA" gesenkt. Tirol und Oberösterreich blieben unberührt. Kärnten, Salzburg und Vorarlberg werden von S&P gar nicht geratet.

Sehr gelassen gab sich jedenfalls das Land Kärnten zum Heta-Moratorium. "Damit ist eine Insolvenz der Bank und des Landes Kärnten vom Tisch", sagte der Sprecher von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Wenn nun Gläubiger klagen, müsse der Bund diese Prozesse ausfechten.

Außerhalb Kärntens sieht das fast niemand so. Ökonom Pitlik zum Beispiel erklärt, dass der Weg der Gläubiger über Kärnten gehe. Diese müssten die Kärntner Haftungen von den Kärntnern einklagen. Könne Kärnten diese Forderungen am Ende des Tages nicht erfüllen, führe das in eine "ungeordnete Insolvenz". Denn es gebe derzeit keine rechtliche Regelung für die Insolvenz eines Bundeslandes. Man müsse dringend ein Konkursrecht für Länder schaffen, forderte der Experte
für Budgetfrage und Finanzausgleich.