Der ukrainische Landwirtschaftsminister im Gespräch über die Umorientierung der Landwirtschaft und das Verbot des Kaufs von Land.
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"Wiener Zeitung": Herr Minister, wie läuft die Umorientierung weg vom russischen Markt für den ukrainischen Agrarsektor?
Oleksij Pawlenko: Aktuell leidet vor allem die ukrainische Milchwirtschaft oder der Gemüseanbau stark darunter, dass der russische Markt verschlossen ist. Wir haben das vergangene Jahr aber genutzt, um an der Qualität unserer Produkte zu arbeiten und haben auch nach neuen Märkten gesucht. Wir konnten etwa den EU-Markt für Hühnerfleisch oder Honig für ukrainische Produkte öffnen. Die Quoten sind aber sehr gering, wir brauchen diese praktisch in einem Monat auf. Wir hoffen, dass wir heuer auch Milch in die EU exportieren können. Wir wissen freilich, dass es eine Überproduktion an Milch in der EU gibt. Die EU muss sich aber keine Sorgen machen, denn es geht um eine kleine, symbolische Menge. Das erlaubt uns auch, weitere Märkte wie China oder Afrika zu erobern, denn damit zeigen wir, dass wir hohen Qualitätsanforderungen entsprechen.
Von wie vielen Firmen sprechen wir?
Die ersten zehn ukrainischen Firmen durchlaufen momentan die EU-Zertifizierung für Milch. Hier ist es aber wichtig zu wissen, dass in der Ukraine 82 Prozent der Milch in individuellen Hauswirtschaften produziert werden. Insgesamt gibt es 4,2 Millionen solcher Betriebe und 50.000 Klein- und Mittelbetriebe. Das ist eine sehr große Anzahl. Deswegen kann bei weitem nicht jeder die EU-Standards erfüllen. Dafür ist eine gewisse technische Ausstattung notwendig, Kühlapparaturen und so weiter. Es gibt ukrainische Firmen, die diesen Standard erreichen wollen, und ich hoffe, dass die ersten zehn bald ihre Zertifizierung erhalten.
Bis heute darf in der Ukraine Land nicht verkauft werden. Per Gesetz gilt bis 2016 weiter ein Moratorium. Was sind Ihre Pläne für die Zeit danach?
Wir haben bereits begonnen, das Thema intensiv zu diskutieren. Wir verstehen natürlich, dass die Öffnung des Marktes große Vorteile hat. Der Wert des ukrainischen Agrarlandes wird mit 150 Milliarden Euro beziffert. Das ist natürlich sehr interessant für Investoren. Wir müssen dafür aber auch bereit sein - und etwa wissen, wo ein bestimmtes Stück Land liegt. Momentan ist der Grundstückskataster lediglich zu 15 Prozent fertig - und realistischerweise werden wir die Katasterreform erst im ersten Quartal 2016 abschließen können. Wenn wir den Markt jetzt ohne die notwendigen Gesetze und Bewertungen öffnen, haben wir eine Situation wie in Rumänien, wo es dann plötzlich fünf, sechs Eigentümer für ein Stück Land gibt. Immerhin haben wir jetzt ein Gesetz beschlossen, dass die Mindestpachtdauer von ein bis zwei Jahren auf sieben Jahre erhöht.
Die Marschrichtung ist also hin zur Marktöffnung?
Ja. Ich kann aber auch noch nicht sagen, wer aller dann Land kaufen kann, das wird noch debattiert. Die Frage ist sehr politisiert. Wir haben ein Gesetz, dass den Menschen Eigentum von Land erlaubt, aber nicht den Verkauf. Sie können es lediglich verpachten. So haben wir die Situation, dass bereits eine Million Ukrainer dieses Recht nicht nutzen konnten - weil sie gestorben sind. Das ist doch nicht menschlich und wohl auch nicht sehr verfassungskonform.
Sie haben große Privatisierungsvorhaben angekündigt.
In der Tat möchten wir 254 Agrarbetriebe privatisieren, darunter auch Ukrspirt (Staatsbetrieb, der 95 Prozent des Alkohols produziert und aktuell in einen großen Skandal verwickelt ist - ein Leiter soll 800 Millionen Griwen unterschlagen haben, Anm.). Dafür haben wir bereits umfangreiche Betriebsprüfungen mithilfe von internationalen Auditoren begonnen. Insgesamt wollen wir künftig mehr Wertschöpfung im Land sicherstellen und nicht mehr nur Rohstoffe exportieren. In den USA werden nur zehn Prozent des Mais exportiert, der Rest geht in die Produktion von Ethanol oder wird als Viehfutter verwendet. Wir exportieren heute 50 Prozent unserer Getreideproduktion.
Oleksij Pawlenko: Der 1977 in Uman geborene Ökonom ist seit Dezember 2014 Landwirtschaftsminister der Ukraine. Davor war er unter anderem im Finanz- und Agrarsektor in den Niederlanden und der Ukraine tätig.