Berlin - Für die deutsche Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) wird es eng. Sie muss dieses Jahr um ihren Wiedereinzug in den Bundestag hart kämpfen. Der Rückzug des Vorzeigepolitikers Gregor Gysi stürzte die Partei Ende Juli knapp zwei Monate vor der Wahl in ein Stimmungstief. Die jüngsten Umfragen sehen die Sozialisten zwischen 4 und 5 Prozent der Wählerstimmen. Die Partei schaut deshalb umso gespannter auf ihre aussichtsreichen Direktkandidaten.
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Eine von ihnen ist Sandra Brunner. Die 27-Jährige ist eine der jüngsten Bundestagskandidaten und kämpft in Berlins Mitte um den neu zugeschnittenen Wahlkreis Pankow, Weißensee und einen Teil Prenzlauer Bergs. Dort muss sie gegen Prominenz wie den Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), den ostdeutschen CDU-Politiker Günter Nooke und den ehemaligen Bürgerrechtler und jetzigen Grünen-Kandidaten Werner Schulz antreten. Besonders gegen Thierse, der seit mehr als 30 Jahren in Prenzlauer Berg wohnt, hat es Brunner schwer. "Ich kann nur gewinnen", meint die Jurastudentin dazu selbstbewusst.
Mit einem ungewöhnlichen Wahlkampf will die Berlinerin deshalb auf sich aufmerksam machen. Dabei könne sie sich mehr erlauben, als ihre Konkurrenten, meint Brunner. Ihr Vorteil sei, dass sie mit beiden Beinen fest auf der Erde stehe. Die forsche Berlinerin will sich für die Nöte der Kleingartenbesitzer genauso wie für die des Fotoladeninhabers an der Ecke oder Szene-Clubbetreibers interessieren. Dabei setzt sie auf Glaubwürdigkeit und Authentizität. So ziehen Brunner und ihr Team mit einem Nachtinfostand vor die Kinos des Bezirkes, verteilen in Szenekneipen Flyer, kleine Werbegeschenke und verwickeln das zumeist jugendliche Publikum in Gespräche. "Abends sind die Leute viel offener", weiß Brunner. Studiengebühren, Ausbildungsmisere oder der drohende Angriff der USA gegen Irak bewegten die jungen Menschen.
Einiges ist anders in Berlin und auch in Prenzlauer Berg. Nicht nur, dass sich der Szenebezirk inzwischen in jedem Touristenführer wiederfindet, auch für die Bundestagskandidaten gilt er als Prestigeobjekt. Die Verbundenheit mit einer Partei ist dort bei den zumeist jungen Bewohnern eher gering. Bei vergangenen Wahlen war auch die Stimmenthaltung relativ hoch.
Für Thierse soll es in diesem Jahr endlich klappen. 1998 fehlten ihm knapp 300 Stimmen zum Gewinn seines Heimat-Wahlkreises. Damals holte die Berliner PDS-Landesvorsitzende Petra Pau den Bezirk. Thierse setzt im Wahlkampf vor allem auf seinen Bekanntheitsgrad. Er ist auf Straßenfesten unterwegs, lädt zum Kiezspaziergang ein und besucht lokale Initiativen. Wahlkampf-Unterstützung erhält der bekennende Fußball-Fan dabei auch von Eduard Geyer, Trainer des Bundesligavereins Energie Cottbus, von Schriftstellern, Theaterschaffenden und Musikern. Auch Egon Bahr, Architekt der Ost-Politik unter Willy Brandt, will seinen einzigen Wahlkampfauftritt in diesem Jahr mit Thierse absolvieren.
Brunner ist eine der jungen Hoffnungsträgerinnen der PDS. Mit 27 Jahren ist sie unter den anderen Parteimitgliedern, die zu zwei Dritteln älter als 60 Jahre sind, das Küken. Ein Manko sieht sie darin nicht. Skepsis oder gar Vorbehalte seien ihr aus den eigenen Reihen nicht begegnet, versichert Brunner.
1998 holte die PDS bei der Bundestagswahl vier Direktmandate, alle in ihrer Hochburg Berlin. Wenn die Fünf-Prozent-Hürde von einer Partei nicht erreicht wird, sichern mindestens drei Direktmandate den Einzug ins Parlament. In diesem Jahr erhofft sich die PDS neben Berlin auch in Potsdam, Rostock und Halle, wo Fraktionschef Roland Claus antritt, die Mehrheit der Stimmen.
SPD im Aufwind
Drei Wochen vor der deutschen Bundestagswahl legt die SPD offenbar in der Wählergunst weiter zu. Dies berichtete der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap, Reinhard Schlinkert Freitag im ARD-Morgenmagazin. Nach seinen Angaben plädierten in einer neuen Umfrage 48 Prozent dafür, dass die SPD auch die nächste Bundesregierung führen solle, 43 Prozent sprachen sich für eine unionsgeführte Regierung aus. Damit haben sich die Sozialdemokraten im Vergleich zur der letzten derartigen Umfrage vor einem Monat um drei Prozentpunkte verbessert. Allerdings legten auch CDU/CSU um zwei Prozentpunkte zu.
Erstmals seit einem halben Jahr liegt die SPD auch bei der sogenannten sonntagsfrage im Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen vor den Unionsparteien.