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Für die Türkei bleibt alles offen

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Nicht nur in Deutschland sorgt ein möglicher EU-Beitritt der Türkei für heftige Diskussionen. Auch in anderen EU-Staaten gehen die Meinungen über die Aufnahme von Verhandlungen mit Ankara auseinander. Dies brachten die EU-Außenminister-Innen bei ihrem gestrigen Treffen in Brüssel zum Ausdruck.


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Für Gerhard Schröder ist die Formel klar. "Das Ziel ist der Beitritt, und das Ziel wird nicht relativiert", erklärte gestern der deutsche Bundeskanzler. Und wurde darin vom niederländischen Premier und EU-Ratsvorsitzenden Jan Peter Balkenende bestärkt, der sich ebenfalls für ein eindeutiges EU-Beitrittssignal an die Türkei aussprach.

Eine andere Meinung vertritt die deutsche Opposition. Einer Mitgliedschaft der Türkei würde sie eine "privilegierte Partnerschaft" vorziehen. Die CDU möchte einen möglichen EU-Beitritt des Landes zum Thema im deutschen Bundestagswahlkampf 2006 machen. Im Falle eines Wahlsieges wolle sie einen Beitritt verhindern, kündigte CDU-Vorsitzende Angela Merkel an. Ähnlich hatte sich zuvor CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber geäußert.

Für eine - von der Türkei abgelehnte - Alternative plädierte gestern auch der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen. Seiner Ansicht nach sollte die EU einen "Plan B" für den Fall haben, dass die Verhandlungen über eine Mitgliedschaft zusammen brechen.

"Andere Optionen" kann sich auch Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik vorstellen. Beim EU-AußenministerInnen-Treffen trat sie für "ein breites Instrumentarium für spezifische Lösungen" ein. Ihr deutscher Amtskollege, Joschka Fischer, hingegen stellte klar, dass das Ziel der Verhandlungen mit der Türkei ein Beitritt sein müsse. Für den italienischen Außenminister, Franco Frattini, wäre eine Aufnahme des Landes ein wichtiges Signal an die moslemische Welt.

Skepsis in Frankreich

Die Skepsis gegenüber einer Mitgliedschaft der Türkei ist in einigen EU-Staaten groß. Wie eine Umfrage für die Pariser Zeitung "Le Figaro" ergab, sind 67 Prozent der Französinnen und Franzosen sowie 55 Prozent der Deutschen gegen die Integration Ankaras. Positiver steht dem die Bevölkerung in Italien und Großbritannien gegenüber, aber nur in Spanien ist eine Mehrheit für den Beitritt.

Weit weniger Debatten als eine mögliche Aufnahme der Türkei löst derzeit die Annäherung Rumäniens, Bulgariens und Kroatiens an die EU aus. Die EU-Außenminister signalisierten Bereitschaft, mit Kroatien Verhandlungen zu beginnen - wenn auch unter der Bedingung, dass das Land mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammen arbeite. Die Gespräche könnten im März 2005 starten.

Bulgarien und Rumänien dürften wie geplant im Jänner 2007 EU-Mitglieder werden. Es werde nun ein Datum für die Unterzeichnung der Beitrittsverträge gesucht, berichtete Plassnik.