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Am 9. Mai 1950 verkündete der französische Außenminister Robert Schuman die Errichtung eines gemeinsamen westeuropäischen Marktes für Kohle und Stahl und legte damit den Grundstein für die Europäische Union. Unter Bezugnahme auf die bedingungslose Kapitulation des Hitler-Regimes am 9. Mai 1945 sollte dieses Datum fortan für die Freiheit und Einigkeit Europas stehen; seit 1985 heißt er "Europatag".
Auch der 9. Mai dieses Jahres hätte ein feierliches Datum werden sollen. In Rom hätten die 25 Staats- und Regierungschefs an diesem Tag den EU-Verfassungsvertrag unterzeichnen sollen. Aber es kam anders. Spanien und Polen brachten den Vertrag - vorerst - zu Fall.
Wenn auch die Gründe für ihr Veto die falschen sein mögen, so ist die Nichtabsegnung des Papiers ein Segen: Dieses hätte einen fundamentalen wirtschaftlichen Liberalismus und militärische Aufrüstung in Verfassungsrang gehoben, was die sozialen und Freiheitsrechte der Menschen nicht nur in Europa, sondern weltweit gefährdet hätte. Europa wäre auf die Formel "Freiheit = Markt + militärische Absicherung" reduziert worden - ein historischer Rückschritt.
Sollte die EU jemals eine Union der in ihr lebenden Menschen und ein verantwortungsvoller Global Player werden, muss sich ihr Grundverständnis wieder radikal ändern. Der 9. Mai sollte wieder unter einem guten Stern stehen. Die vielen Akteure der Zivilgesellschaft Europas arbeiten bereits an einem anderen Europa. Weg von der zentralen Rolle des Binnenmarkts hin zu einem Europa der Solidarität und Kooperation. Weg von der Verpflichtung zur qualitativen Aufrüstung hin zur Verpflichtung zum Frieden. Weg vom herrschenden EU-Demokratiedefizit hin zur demokratischen Gewaltenteilung.
Auf dem Dritten Europäischen Sozialforum im Herbst in London wird ein neuer Verfassungsentwurf vorgestellt, und EU-Attac wird bereits im Juni auf dem Österreichischen Sozialforum in Linz einen Workshop dazu abhalten.
Beatrix Beneder ist Pressesprecherin von Attac Österreich.