Faktum ist: Spätestens seit Terror-Netzwerke wie Al Kaida und Konsorten die gesamte Welt unter besonderer Berücksichtigung des Westens mit Angst und Schrecken überziehen, haben viele Menschen ein mehr oder weniger mulmiges Gefühl, wenn es um den Islam geht. Bei diesem Terror handelt es sich zweifellos um einen Missbrauch der Religion für politische Zwecke.
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Ebenso unbestritten sind aber auch die Probleme der islamischen Welt und der Religion selbst im Umgang mit den Werten der westlichen Aufklärung. Die Stellung der Frau in der Gesellschaft und in der Ehe ist hier nur eine von vielen Fragen, mit denen sich der Islam offen und ohne Scheuklappen auseinander setzen muss.
Das alles sind Themen, die die Politik etwas angehen, zu denen sie offen Stellung zu beziehen hat. Fragt sich nur, in welcher Form und mit welchen Mitteln dies geschieht? Auch das ist ein entscheidender Gradmesser für die Qualität eines demokratischen Gemeinwesens.
Die steirische Landeshauptstadt, in der der Gemeinderatswahlkampf nun in den Schlusssprint eingebogen ist, hat zweifellos zahlreiche Probleme: Die Arbeitslosigkeit steigt sogar in Zeiten der Hochkonjunktur und im Gegensatz zum sonstigen Trend weiter an; die Stadtfinanzen sind prekär; die Zahl der Bettler aus Südost-Europa ist tatsächlich auffällig und so weiter. Nur: Ein besonderes Problem mit muslimischen Zuwanderern hatte Graz bis dato nicht. Lediglich 4 Prozent oder rund 9000 der 226.000 Einwohner bekennen sich laut Volkszählung von 2001 zum Islam.
Nun ist es aber einmal so, dass sich mit der Angst vor dem unbekannten Glauben trefflich wahlkämpfen lässt. Vor dieser Versuchung ist kein Politiker und keine Partei gefeit - und fast jeder erliegt früher oder später den Verlockungen scheinbar leicht gewonnener Wählerstimmen.
Die Attacken der Grazer FPÖ-Spitzenkandidatin überraschen deshalb lediglich in ihrer Direktheit, zu erwarten waren sie so oder so. Der Politikerin mangelte es an Profil, nun hat sie eines. Wahrscheinlich wird auch die Rechnung für den Wahltag aufgehen. Das Wählerpotenzial der FPÖ hat sich noch nie vom Aufschrei der anderen Parteien, von Kirchen, NGOs oder Kommentatoren von seiner Wahlentscheidung abhalten lassen. Im Gegenteil. Die jüngste Eskalation der Worte wird allen anderen schaden - dem Ansehen der Stadt, des Landes und der Politik -, nur nicht der FPÖ.
Und wenn in den nächsten Tagen von irgendwelchen Narren die Fenster eines FPÖ-Parteilokals eingeschlagen oder Wände beschmiert werden, dann ist der Wunschtraum der blauen Spindoktoren aufgegangen, dann ist man wieder in der geliebten Opferrolle. Hoffentlich passiert nichts Schlimmeres: Der niederländische Filmemacher Theo Van Gogh wurde wegen seiner Kritik am Islam ermordet. Seite 5