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Für eine saubere Wirtschaft

Von Werner Pfenningberger

Gastkommentare
Werner Pfenningberger ist Redakteur bei der katholischen Monatszeitschrift "Feuer und Licht".

Man kann eine kranke Gesellschaft und eine schwer angeschlagene Wirtschaft nicht einfach sich selbst überlassen.


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Erst kürzlich versuchte mein Arzt, mich zu überzeugen, auf Seife zu verzichten. Er sprach von der selbstreinigenden Kraft der Haut und gerade diese Kraft würde von der Seife zerstört werden. Er hielt mir zusätzlich einen kleinen Vortrag über die erstaunliche Fähigkeit des Körpers, sich zu regenerieren, wenn dieser vorsichtig unterstützt und nicht schonungslos mit Chemie bombardiert wird.

Gesellschaft, Politik und Wirtschaft bilden ebenso einen komplexen Organismus. Ich beobachte mit Staunen, wie heute in die Wirtschaft eingegriffen wird. Man verabreicht starke Medizin, und wenn der Patient diese nicht verträgt, gibt es morgen ein anderes Medikament. Dabei ist die Ursache der Krankheit durchaus bekannt: Wenn hemmungsloser Konsum, Korruption und Gier nach Macht vorherrschen, erkrankt jedes Land. Mit welcher Seife kann eine solche Gesellschaft gereinigt werden? Man sucht nach immer stärkeren Therapien, um eine entfesselte Wirtschaft und eine Politik, in die nur noch wenige ihr Vertrauen setzen, ins rechte Gleis zu bringen. Dabei entstehen immer künstlichere und undurchschaubarere Strukturen, die, ehrlich gesagt, kein Mensch mehr versteht.

Auch eine Gesellschaft hat einen Selbstreinigungsmechanismus. Der Mensch möchte im Grunde leben und zwar wirklich und echt; ein künstliches Lebenssurrogat wird auf Dauer nicht akzeptiert. Dennoch punkten in schwierigen Zeiten gerade die radikalen Elemente; man sehe sich nur um. Dieser Arzt, von dem ich eingangs sprach, ein international anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet, hält auch Vorträge auf Kongressen. Seine Kollegen aber hören meist nicht gerne von den einfachen und natürlichen Mitteln, sie bevorzugen zu seinem Leidwesen spektakulär schnellwirkende Pillen.

Sollen wir also zurück zur Natur gehen? Ist der Mensch nicht an sich gut und hat nicht die Kultur alles zerstört? Sollen wir wie Naturvölker werden? Hier sind wir, eh wir uns versahen, bei Rousseau gelandet. Um im Bild zu bleiben: Das hieße nicht, sich mit Wasser zu waschen, sondern sich gar nicht zu waschen. Man kann eine kranke Gesellschaft und eine schwer angeschlagene Wirtschaft nicht einfach sich selbst überlassen, in der naiven Hoffnung, dass alles von selbst wieder gut wird.

Besonders in einer Demokratie lebt die Politik von der öffentlichen Meinung. Darum versuchen Politiker, ein sauberes Bild von sich abzugeben. An den Bürgern liegt es nun zu erkennen, ob es sich nur um ein sauberes Bild oder tatsächlich um einen sauberen Menschen handelt. Dazu braucht es Unterscheidung: Wer selbst nicht sauber ist, lässt sich leicht hinters Licht führen. Das klare Wasser, das reinigt und den Selbstreinigungsmechanismus fördert, sind Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Güte. Wer diese Mittel bei sich selbst anwendet, wird den Schmutz immer besser abstoßen - und ein unsauberer Politiker wird für seine zweifelhaften Verheißungen eine Stimme weniger bekommen. Natürlich rettet das alleine keine Wirtschaft, aber von vielen vollzogen, würde es eine Kursänderung bedeuten.