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Für einen Feiertag reicht's (noch) nicht

Von Karl Georg Doutlik

Europaarchiv

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Neben dem blauen Banner mit dem gelben Sternenkreis und Beethoven's "Ode an die Freude", der Europahymne, ist mit dem 9. Mai der Europatag das dritte Symbol der Europäischen Union. Der Europatag ist von diesen drei Symbolen wohl das unbekannteste. An der Weiterentwicklung der Europäische Union muss noch heftig gearbeitet werden, daher wäre es auch absolut nicht richtig, den Europatag als arbeitsfreien Feiertag zu fordern!

Etwas mehr als 50 Jahre nach Gründung der Union und an der Schwelle zu ihrer größten Erweiterung und gleichzeitig ihrem größtem Umbau mit Hilfe des Europäischen Konvents ist es jedoch absolut zeitgemäß, sich der Ursprünge zu besinnen, zu reflektieren, was seither erreicht worden ist und einen Ausblick zu wagen.

Am 9. Mai 1950 hat Robert Schuman, der damalige französische Außenminister, erstmals die Grundzüge der etwa ein Jahr später gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in einer Erklärung skizziert. Obwohl diese Montanunion, wie sie kurz genannt wurde, eindeutig den Zweck hatte, durch innigste Vernetzung der Grundstoffindustrie der ehemaligen Kriegsgegner Deutschland und Frankreich künftige kriegerische Ereignisse innerhalb Europas zu unterbinden und die Basis für eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung zu legen, hat sie doch auch alle Grundlagen für eine politische Einigung beinhaltet. In der Präambel zum EGKS-Vertrag, welche durch ihre Schlichtheit und Klarheit besticht, sind einige wesentliche Grundsätze heute nach wie vor unverändert gültig.

Erreicht wurde in den zurückliegenden etwa 50 Jahren die längste friedliche Periode unter den an der Europäischen Union beteiligten Mitgliedstaaten und eine nachhaltige Entwicklung, welche alle drei Säulen Wirtschaft, Soziales und Umwelt umfaßt.

An der Schwelle in die zweiten 50 Jahre der jungen Geschichte der Europäischen Union müssen sowohl ihre Bürger als auch ihre Politiker offensichtlich noch sehr viel erkennen und lernen. Unser Haus ist nicht mehr das kleine Österreich, das größere Italien, das winzige Malta oder das große Deutschland. Unser Haus ist das gemeinsame Europa, dessen Bürger jeweils mehr oder minder große Wohnungen besiedeln. Die Hausbewohner müssen erst erkennen und lernen, das innere Miteinander effizient und zukunftsorientiert zu gestalten, nach außen aktiv und attraktiv aufzutreten und im Wettbewerb mit anderen Häusern nicht nur zu bestehen, sondern eine Rolle zu spielen. Die Europäische Union ist heute Dank Binnenmarkt die zweitgrößte Wirtschaftskraft der Welt. Dem gegenüber ist die politische Stärke Europas in der Welt noch deutlich unterentwickelt, ebenso wie ihr Eingreifpotenzial. Diesen Anforderungen gerecht zu werden und in diese Rollen hineinzuwachsen ist eine der großen Herausforderungen der unmittelbaren und weiteren Zukunft. Europas Bürger müssen noch erkennen, dass es so etwas wie ein europäisches Gesellschaftsmodell gibt bzw. darauf eine eigenständige Identität aufgebaut werden kann. Bürger und Politiker müssen auch bereit werden, mit Stärke und Demut eine als Weltmacht agierende Union zu gestalten. Erst wenn diese Schritte mit Erfolg absolviert sind, werden wir den 9. Mai wirklich als europäischen Feiertag begehen dürfen.

Für den heurigen Europatag laden wir daher zu einer öffentlichen Feier mit den neuen Mitgliedstaaten in die Orangerie im Schloss Schönbrunn! Nähere Informationen dazu sind auf der Homepage der Vertretung unter der Internet-Adresse http://europa.eu.int/austria/index.htm abzurufen.

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DI Karl Georg Doutlik ist Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien