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Für EU-Vertrag schlägt die Stunde der Wahrheit

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Nach Nein im Juni 2008 stehen diesmal die Zeichen auf Ja. | Aus Prag kommt weiter Widerstand. | Brüssel. Seit fast zehn Jahren arbeiten die EU-Strategen an einer Reform, welche die Union effizienter und nach außen schlagkräftiger machen soll. Diesen Freitag entscheidet sich bei einem Referendum in Irland, ob der am Ende dafür erdachte Lissabonner Vertrag jemals in Kraft treten kann.


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Denn sagen die Iren nach dem Juni 2008 noch einmal Nein, so ist das neue EU-Regelwerk gestorben. Das ist in Brüssel allen klar, doch darüber will noch niemand so richtig nachdenken. Denn diesmal besteht nach jüngsten Umfragen berechtigte Hoffnung, dass der Vertrag von Lissabon auf der grünen Insel ausreichende Zustimmung erhält.

Wenn das gelingt, sind fast alle Hürden zum Inkrafttreten genommen. Sorgen bereitet bloß noch Sperrfeuer aus Tschechien, wo erst gestern, Dienstag, erneut eine Klage vor dem Verfassungsgericht eingebracht wurde. Eine Gruppe EU-skeptischer Senatoren hinter Jiri Oberfalzer möchte endgültig geklärt haben, ob der Vertrag von Lissabon nicht vielleicht doch gegen die tschechische Verfassung verstößt, weil Kompetenzen an den "Suprastaat" EU abgegeben würden.

Was plant Cameron?

Dieser Schritt könnte Tschechiens Präsidenten Vaclav Klaus in die Hände spielen, der ein deklarierter Lissabon-Gegner ist. Er muss die tschechische Ratifizierung noch formell unterzeichnen, damit sie auch Gültigkeit hat. Das will er offenbar nicht tun, ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht käme ihm als Argument daher gerade recht. Ob es dazu noch einmal kommt, sollen die Richter in Brünn dem Vernehmen nach nächste Woche entscheiden. Akzeptieren sie die Klage, dauert das Verfahren wohl mindestens drei Monate, vielleicht auch doppelt so lange.

Das weckt bei manchen EU-Skeptikern die Hoffnung, dass Klaus seine Unterschrift womöglich bis nach den britischen Wahlen im Mai oder Juni 2010 hinauszögern könnte. Sollte sich das ausgehen, haben die britischen Konservativen für den Fall eines Wahlsiegs bereits ein Referendum über den EU-Vertrag angekündigt. Das wäre so gut wie sicher das Ende es Reformprojekts: Tory-Chef David Cameron könnte als neuer Premier die britische Ratifizierungsurkunde zurückziehen. Dieser völkerrechtlich beispiellose Schritt wäre möglich, so lange der neue EU-Vertrag noch nicht in Kraft ist.

Doch mit welchem Argument Klaus die Unterschrift so lange verweigern sollte, ist unklar. Laut tschechischer Verfassung ist er zur Unterzeichnung verpflichtet, wenn die Ratifizierung verfassungsgemäß abgewickelt wurde. Und das Verfassungsgericht hat den Vertrag schon einmal sieben Monate lang durchleuchtet und keine Probleme entdeckt. Wenn die Brünner Richter die Klage nächste Woche ablehnen und die Iren mit Ja stimmen, stünde Klaus alleine da. Der polnische Präsident Lech Kaczynski hat seine Unterschrift zwar vom Ausgang des Referendums in Irland abhängig gemacht. Im Falle eines Ja, will er aber unterzeichnen.