Zagreb - "Eine Kooperation mit Den Haag ist einer der wichtigsten Faktoren im Annäherungsprozess an die EU", erklärte Kroatiens Außenminister Tonino Picula. "Daher sollte die Sache bis Ende Oktober erledigt sein." Eine vergangenen Freitag ausgesprochene Warnung der EU zeigt nun Wirkung. Am Montag hatte Ministerpräsident Ivica Racan für mediales Aufsehen gesorgt, als er den 83-jährigen kroatischen Ex-Generalstabschef Janko Bobetko, vom UN-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt, zu Hause besuchte.
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Über die Ergebnisse des "Vier-Augen-Gesprächs" mit Bobetko hielt sich Racan bedeckt. Er gab Bobetko lediglich neuerlich den öffentlichen Rat, sich in Spitalsbehandlung zu begeben. Diese Aufforderung der Regierung hatte der General, der zu Hause rund um die Uhr von zwei Krankenschwestern und Herzspezialisten betreut wird, bisher abgelehnt, weil er fürchtete, unterwegs gekidnappt und an Den Haag ausgeliefert zu werden. Ist Bobetko erst einmal definitiv in stationärer Behandlung, wird es Den Haag schwerer fallen, auf seine Überstellung zu insistieren.
Verhandlung per Video?
Dem Ex-General sollte nach Berichten des kroatischen Fernsehens eventuell die Möglichkeit eingeräumt werden, sich vor einem Gericht in Zagreb zu verantworten. Das Tribunal würde diese Verhandlungen dann auf Video aufzeichnen. Die Kompromissbereitschaft war angeblich auf Initiativen aus EU-Kreisen zurückzuführen, die ins Treffen führten, dass Kroatien bisher als kooperativstes Land der Region galt. Dieser Theorie widersprach jedoch eine Demarche aus Brüssel, in der Kroatien am Freitag erneut aufgefordert wurde, Bobetko an das UNO-Tribunal auszuliefern. Sollte sich die kroatische Regierung diesem Schritt weiter widersetzen, werde dies die Beziehungen des Landes zur Europäischen Union beeinträchtigen.
Der Wink mit dem Zaunpfahl machte in Zagreb Eindruck. Immerhin will man im Jahr 2004 den Antrag auf Mitgliedschaft in der EU stellen. Bereits jetzt gehen etwa 60 Prozent der kroatischen Exporte in die 15 Mitgliedsstaaten der Union. Sollte die EU aber die Handelsabkommen mit Kroatien temporär aussetzen, würde dies einen erheblichen Rückschlag für die kroatische Wirtschaft bedeuten.
Angesichts dessen ist auch Racan die Lust am Gambeln vergangen - auch wenn seine jüngst erneuerte Rücktrittsdrohung nicht ohne Hintergedanken erfolgte. Sollte Kroatien den Rechtsstreit mit Den Haag verlieren, werde er sein Amt zur Verfügung stellen, erklärte Racan. Die unausgesprochene Folge: Sollte es dann bei Wahlen zu einem Rechtsruck kommen, müsste sich die internationale Gemeinschaft künftig mit Partnern herumschlagen, die einer Kooperation mit Den Haag weit weniger kooperativ gegenüber stünden.
Das UNO-Tribunal hat Bobetko im Zusammenhang mit der Militäroperation "Tasche von Medak" in Teilen der von aufständischen Serben kontrollierten Krajina angeklagt. Dabei sollen im September 1993 mindestens 100 serbischen Zivilisten getötet worden sein. Zagreb weigert sich trotz internationalen Drucks bisher, den General auszuliefern. APA