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"Wir wollen nicht euer Geld, wir wollen euch", hatte Bob Geldof, der das Musikspektakel "Live 8" am vergangenen Wochenende mitorganisiert hat, erklärt. Weltweit sollten Menschen den Appell an die Politiker der G-8-Staaten unterstützen, "Afrika zu helfen". Wie sinnvoll dieser Aufruf war, ist umstritten. Sicher ist, dass Appelle allein wenig helfen. Denn das Thema "Entschuldung" und "Hilfe" ist weitreichend.
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http://www.wienerzeitung.at/bilder/artikel/g8.gif Im Frühjahr entschuldete der Pariser Club den Irak mit 32 Mrd. US-Dollar. Nun sollen 40 Mrd. US-Dollar zur sofortigen Entschuldung von 18 afrikanischen Ländern bereitgestellt werden - 1,6 Prozent der Gesamtschulden der Entwicklungsländer bei Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank. "Für die 18 Länder ist das gut", sagt Beatrix Beneder von der globalisierungskritischen Organisation Attac, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Gut - mit Einschränkungen: Von den drei multilateralem Institutionen werden die Schulden zu 100 Prozent gestrichen, allerdings bleiben jene bei 16 weiteren Einrichtungen aufrecht. Der Schuldenerlass für Äthiopien etwa beträgt demnach - insgesamt betrachtet - nicht 100, sondern 29 Prozent.
Geben und Nehmen
Obwohl selbst Mitarbeiter der Weltbank und des IWF zunehmend hinterfragen, ob oder wie sehr ihre Auflagen wirksam sind - ohne "Gegengeschäft" geht Entschuldung nicht. Die Weltbank bewertet Wirtschaftsmanagement, Strukturpolitik, Sozialpolitik und öffentlichen Sektor der zu entschuldenden Länder. Daraus leitet sich Form und Umfang der Mittelvergabe ab. Wobei gegen eine gute Regierungsführung ("Good Governance") nichts zu sagen ist. Zu oft, zu lange waren und sind korrupte Regierungen am Werk, stehen Gesetze bloß auf dem Papier. "Problematisch daran ist, dass damit nach einem Einheitsschema von außen Regierungsbewertungen vorgenommen werden und Länder unter Druck gesetzt werden können, die Wirtschaftskonzepte des IWF umzusetzen", gibt Beneder zu bedenken.
"Hätten die Siegermächte nach dem zweiten Weltkrieg Deutschland und Österreich Bedingungen à la IWF verordnet, hätten sie ihr Wirtschaftswunder nie erlebt. Die weitreichende Entschuldung Deutschlands 1953 ist das beste Beispiel dafür, dass eine grundlegende Entschuldung möglich ist, wenn die Gläubiger nur wollen."
Entschuldung mit oder ohne Bedingungen - beim heute beginnenden G-8-Gipfel werden nicht mehr als die 18 ins Spiel gebrachten Länder zum Zug kommen. In den kommenden zwei Jahren kann die Zahl auf 27 steigen. Weltweit bräuchten mehr als 50 Länder Entschuldung.
Zwischen 1970 und 2000 haben laut Weltbank die Länder südlich der Sahara wie Äthiopien, Burkina Faso und Mosambik 294 Mrd. US-Dollar an Krediten erhalten - zurückgezahlt, inklusive Zinsen, wurden 268 Mrd. US-Dollar. Dennoch sitzen sie immer noch auf einem Schuldenberg von 210 Mrd. US-Dollar.
UNO: "Ein erster Schritt"
Entschuldet, und "alles ist gut" - diese Formel wird nicht aufgehen. Denn zunächst müssten, wie auch UN-Generalsekretär Kofi Annan sagt (siehe Artikel links), "die Grundlagen des Welthandels" überdacht werden. Erst dann wäre Entschuldung ein erster Schritt zur viel beschworenen Nachhaltigkeit. Es gelte faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Ein Beispiel: In den vergangenen drei Jahren schwankte der Weltmarktpreis für Kaffee zwischen 50 und 100 US-Dollar pro Einheit - im Schnitt 80 US-Dollar allein bräuchte ein Kaffeebauer, um die reinen Anbaukosten zu decken.
Eveline Herfkens, UN-Beauftragte für Armutsbekämpfung, sagt: "In Tansania helfen wir mit unserer Entwicklungshilfe dabei, die Milchproduktion im Land zu steigern - und zerstören zugleich mit künstlich verbilligtem europäischen Milchpulver die lokalen Märkte. Die Exportsubventionen der EU müssen weg, Europas Märkte müssen geöffnet werden, damit die Wertschöpfung in den Entwicklungsländern bleibt."