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Auf dem Golan ist in den letzten Tagen Sommer geworden. Doch es soll noch heißer werden, sagen die, die schon oft da waren. Und das sind einige, allein aus Österreich.
Vergessen sind die harten Wintermonate auf "dem Berg", dem 2814 Meter hohen Mount Hermon, wo die 1. Kompanie des Österreich-Bataillons (AUSBATT), die Edelweißkompanie, Dienst macht. Vergessen die Tage, die man im Stützpunkt verbringen musste, weil draußen der Wind mit 200 Stundenkilometern um das Haus tobte, als man bei Versorgungsfahrten aus dem Pistenbully springen und per GPS die Schneestangen orten musste, weil der Nebel so dicht war oder der Schnee so hoch lag. Ein Abkommen vom Weg bedeutet Gefahr des Abstürzens oder Auflaufen auf eine Mine.
Der Hermon war heftig umkämpftes Kriegsgebiet: 1967 hatten die Israelis im Sechstagekrieg den syrischen Höhenzug erobert, 1973 hatten die Syrer im Jom-Kippur-Krieg vergeblich versucht, ihn zurückzuerobern. Unzählige Soldaten hatten damals hier im Gebirge, aber auch weiter unten, auf der Hochebene des Golan, ihr Leben gelassen. Am 31. Mai 1974 kamen die Kriegsparteien und die UNO in Genf überein, einen Waffenstillstand zu schließen und diesen von UN-Truppen überwachen zu lassen.
Weltweit höchster UN-Posten
Seitdem, nunmehr 30 Jahre lang, ist die internationale Truppe auf den Golanhöhen stationiert. Auf syrischem Gebiet, in einer Art Pufferzone, wo kein Militär und keine Waffen erlaubt sind. Von der weltweit höchsten UN-Position auf dem Mount Hermon, dem "Hermon Hotel", 75 Kilometer weit in den Süden, bis ins Wadi al-Raquid an der jordanischen Grenze, wo es im Sommer an die 70 Grad hat.
Es ist eine ruhige Mission, jene von UNDOF, der United Nations Disengagement Observer Force. "Looking and cooking" wird der Auftrag mitunter spöttisch beschrieben. "Eine vergessene Mission" sagen andere und konzentrieren ihr Interesse auf den Balkan. Tatsächlich besteht das tägliche Handwerk aus dem Vertreiben von Schafhirten und Schwammerlsuchern vom technischen Zaun, den Israel entlang der Waffenstillstandslinie errichtet haben und dem sich niemand auf mehr als 100 Meter nähern darf.
Ein israelischer Berater, zu dessen Klientel auch Finanzminister Netanjahu gehört, sagte kürzlich, paradoxerweise sei Israels ruhigste Grenze die zu jenem Land, mit dem es keinen offiziellen Frieden gebe. Im größeren Kontext betrachtet, befindet sich UNDOF wie eine große friedliche Insel zwischen zwei Brandherden: Den Unruhen in Israel und den kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak. Im Auge des Zyklons pflegt es windstill zu sein.
Anfang war Pionierarbeit
Vor 30 Jahren war alles noch anders, Pionierarbeit. Da bekamen Teile von UNEF II, einer auf dem Sinai eingesetzten UN-Truppe zur Entflechtung ägyptischer und israelischer Streitkräfte, den Auftrag die neue Force UNDOF auf dem Golan zu bilden. Kontingente aus Österreich, Peru, Polen und Kanada verlegten daraufhin quer durch Israel auf die Anhöhen östlich des Jordantals.
Sie fanden ein erschöpftes Kriegsgebiet vor. Der erste Kommandant der Force war der spätere österreichische Armeekommandant Hannes Philipp. Schon nach wenigen Wochen erlebte die UNDOF einen schweren Schlag. Ein Pinzgauer-Transporter, auf dem Weg zur Suche nach einem abgeschossenen israelischen Piloten im Hermonmassiv, fuhr auf eine Mine, vier Österreicher starben. Wenige Wochen später stürzte ein Versorgungsflugzeug ab, neun kanadische Friedenssoldaten kamen dabei ums Leben. Insgesamt starben in den drei Dekaden der Mission am Golan 49 Soldaten.
An die 12.000 Mitglieder ist die Force heute stark, ihr Auftrag wird alle sechs Monate von den UN erneuert. Und im Lauf der Jahre hat sich die Golantruppe etabliert. Im Camp Faouar, das vor dem Krieg eine von Syrien und der DDR errichtete Hühnerfarm hätte werden sollen, wurde Fließwasser eingeleitet, Bäume wurden gepflanzt - etwas, das die Anrainer in der Umgebung bald kopierten. Viele "Golanis", die schon mehrmals hier waren, staunen jedes Mal aufs Neue, wie "grün" ihr Einsatzgebiet geworden ist, trotz des oft stürmischen Wetters - "Golan" bedeutet im Arabischen "der Wind geht herum".
Spartanische Verhältnisse
Auf dem Mount Hermon waren die Stützpunkte zuerst spartanisch eingerichtet: Zwei Stockbetten und vier Spinde hatten die kleinen Zimmer mit Holzboden. Von den Wassererhitzern musste erst der Kerosinfilm abgeschöpft werden. Heute helfen Schneeschmelzanlagen. Jede Position verfügt über Zentralheizung, man ist besser ausgestattet als österreichische Berghütten.
Nach Dienst schauen die Soldaten gebannt ins Internet und schenken dem Sonnenuntergang über dem Libanon, hinter dessen Bergen man an schönen Tagen sogar die Segelboote im Mittelmeer sehen kann, kaum mehr Beachtung. Nur Gäste sind noch ergriffen vom täglichen Naturschauspiel, wenn sich die Sonne mit orangerotem Licht nach Westen verabschiedet und im Winter einen letzten Feuerschein über unberührt glänzende Schneefelder wirft.
Anfangs gab es noch kein Schwarzbrot, keinen Speck und keine Salami im Einsatzraum, den mussten Kameraden vom Urlaub daheim mitbringen. Auf Urlaub fuhren die Soldaten in den ersten Jahren auf schlechten Schotterstraßen in offenen Militärlastwagen, derzeit stehen dafür klimatisierte UN-Busse bereit.
Was nicht bedeutet, dass der Dienst auf dem Golan zum paradiesischen Leben geworden ist. Nach wie vor sind die Soldaten den höchst unterschiedlichen Klimaverhältnissen ausgesetzt, macht die Trennung von den Angehörigen am meisten zu schaffen, besonders, wenn der Dienst wenig Abwechslung bietet und man stundenlang eintönige Landschaft zu observieren hat.
Willkommene Abwechslung
Doch gar nicht so selten überlagert emsige Geschäftigkeit den Alltagsbetrieb von UNDOF. Und das nicht nur dieses Wochenende, wenn in Anwesenheit einer Stellvertreterin des UN-Generalsekretärs offiziell das 30-Jahresjubiläum mit Sportwettbewerben, Fotoausstellungen, Shows der einzelnen Kontingente und Paraden begangen wird.
Etwa zweimal im Jahr kommt Leben an die tote Grenze, die völkerrechtlich gesehen keine Grenze ist, sondern nur eine Waffenstillstandslinie, auch wenn die Israelis auf ihren Checkpoint in bis auf die andere Seite sichtbaren Lettern "Welcome to Israel" gemalt haben. Dieser Übergang ist nur für UN-Personal durchlässig. Ausschließlich die UNDOF-Angehörigen sind privilegiert, am selben Tag auf direktem Weg etwa von Tel Aviv nach Damaskus zu fahren. Und dies nur nach eingehenden Kontrollen an den beiden Toren, die an dieser so unwirtlichen wie einsamen Stelle zwischen Lavageröll und Minenfeldern nur einen Steinwurf voneinander getrennt liegen. Ein wenig ist es hier wie an der alten innerdeutschen Grenze: Ein Drahtzaun in der Mitte, misstrauisches Beäugen auf beiden Seiten vom Wachturm aus.
Humanitäre Mission
Etwa zweimal im Jahr ist UNDOF mitverantwortlich für humanitäre Aktionen, die vom Roten Kreuz organisiert werden: Dann dürfen Studenten vom israelisch besetzten Golan nach Damaskus zum Studium, oder Kranke zur Behandlung ins Spital der syrischen Hauptstadt. Oder es werden Ehen geschlossen. Denn die Waffenstillstandslinie schneidet genau durch das Siedlungsgebiet der syrischen Drusen. Bei ihnen handelt es sich um eine alte islamische Sekte. Die Familien der einst benachbarten Orte Hadar und Majd al-Shams kommunizieren seit Jahren am Freitag mittels Megaphonen beidseits des "technischen Zauns" der Israelis, der zwischen ihren Orten hindurch läuft. Früher wurden auf diese Weise auch die Hochzeiten ausgemacht. Heute lernen sich die Paare meist beim Studium in Damaskus kennen.
Bewegende Momente
In der Regel zieht dann die Braut dem Mann nach. Es sind bewegende Momente an dem sonst so eintönigen Übergang. 15 Angehörige darf jeder Partner von seiner Seite zur Zeremonie im Niemandsland zwischen den beiden Gates zur Trauungszeremonie mitnehmen, die eine dreiviertel Stunde nicht überschreiten darf. Menschen, die sich Jahrzehnte nicht mehr gesehen haben, fallen sich da weinend in die Arme. Es ist der Moment, in dem einer der Partner seiner Heimat für lange Zeit, vielleicht für immer, den Rücken kehren muss und nicht mehr zurück darf. Einmal im Jahr pflegen die Familien einander im Urlaub in Jordanien zu treffen, das nächstgelegene Land, wohin man von beiden Seiten reisen darf.
Keiner weiß, wie lange die Trennung dauert. Auch UNDOF weiß nicht, wie lange man noch benötigt wird. Denn wäre die UN-Mission nicht mehr da - niemand würde garantieren, dass es auf dem Golan lange ruhig bliebe. Und so stellt sich die 30 Jahre alte Force auf weitere Präsenz ein, im schlimmsten Fall auf weitere 30 Jahre und mehr. n
Bundesheer feiert auch 40 Jahre Zypern-Einsatz
Das Kommando für Internationale Einsätze des österreichischen Bundesheeres (KdoIE) hat bei einem Festakt im Wiener Austria Center am Donnerstagabend die erstmalige Entsendung österreichischer UNO-Soldaten auf die syrischen Golanhöhen vor 30 Jahren und den Beginn der Blauhelm-Mission auf Zypern vor 40 Jahren. Altbundespräsident Kurt Waldheim, der in seiner Zeit als Generalsekretär der Vereinten Nationen Oberbefehlshaber der UNO-Truppen war, lobte den österreichischen Einsatz hoch. Verteidigungsminister Günther Platter (V) bescheinigte Österreich mit den "erfolgreichen Auslandseinsätzen hohe Anerkennung erworben" zu haben und gab einer Fortsetzung dieser Einsätze Priorität gegenüber der Landesverteidigung.
Die Mission auf Zypern (UNFICYP) begann 1964, nachdem es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der griechischen und türkischen Volksgruppe gekommen war. Rund 42.000 Österreicher waren in den beiden Missionen im Auslands-Einsatz, insgesamt 36 sind dabei ums Leben gekommen.
Stefan May ist freier Journalist und derzeit Presseoffizier bei der UNDOF in Camp Faouar