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Für Gottes Lohn und Liebe

Von Sonia Raviola

Gastkommentare
Sonia Raviola ist Gesundheitswissenschafterin. Sie führt eine Praxis für Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung in Wien (www.dialog-raviola.at).
© privat

De facto ist der Pflegeberuf ein frauenfeindlicher Frauenberuf.


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Kaum ein Beruf ist mit einem so hohen unreflektierten Anspruch an die Erfüllung historischer Rollenerwartungen verknüpft wie der Pflegeberuf. Die daraus resultierenden Unklarheiten und Widersprüche wirken sich bis heute nicht nur auf die realen Tätigkeiten im beruflichen Alltag aus, sondern auch auf den Forderungskatalog, den die Betroffenen und ihre Interessenvertretungen an die neue Regierung stellen.

De facto ist der Pflegeberuf ein frauenfeindlicher Frauenberuf, weil er die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unmöglich macht. Der Wertekodex stammt aus der Zeit der Ordensschwestern und wurde auf weltliches Pflegepersonal übertragen, einschließlich der Ehelosigkeit und der damit verbundenen Verfügbarkeit rund um die Uhr. Eigenschaften wie Aufopferung, Empathie und finanzielle Bescheidenheit werden unausgesprochen erwartet und gefordert. Solche Ansprüche prägen das Bild der Pflegeberufe bis heute.

Dazu ein kurzer Rückblick: Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Pflege hauptsächlich von Ordensschwestern ausgeführt und war daher nur für unverheiratete Frauen gedacht. Ansehen erfuhr die Pflegerin in erster Linie über den behandelnden Arzt, Pflege galt lediglich als Zuarbeit zur ärztlichen Tätigkeit. Es waren Vertreterinnen der ersten Frauenbewegung, die eine Professionalisierung der Pflegeberufe mit entsprechender Ausbildung und Entlohnung fordern.

Konservative Rollenbilder und kultivierte Rollenunklarheit

Trotz eines beginnenden neuen Berufsverständnisses bleiben jedoch die konservativ-patriarchalen Rollenbilder in ihren Grundfesten bestehen: Pflege und Fürsorge sei eine natürliche weibliche Eigenschaft, die mütterliche Frau das Idealbild einer Ehe oder sozialen Beschäftigung. Obwohl im Zweiten Weltkrieg aufgrund des Männermangels alle traditionellen Frauenbilder gesprengt wurden, erlebte nach Kriegsende die Vermütterlichung und Versexualisierung des "Frauenberufes Pflege- und Krankenschwester" eine ungeheure Renaissance.

Erst in der Studentenrevolution der 1968er wird das rigide Frauen- und Männerbild massiv in Frage gestellt. Dank der Feministinnen dieser Stunde etablierte sich in den folgenden 30 Jahren die zweite Frauenbewegung (1968 bis 1989), die als große politische Bewegung einen tiefgehenden Paradigmenwechsel einleitete, der bis heute noch anhält. Jetzt - und wirklich erst jetzt - werden in Österreich die entscheidenden berufs- und familienpolitischen Gesetze geschaffen, die auch jene "Rollenbilder im Kopf" in Veränderung bringen, von denen gerade die Gesundheits- und Pflegeberufe so betroffen sind.

Einige Beispiele: Seit 1975 kann der Ehemann die Berufsausübung der Ehefrau nicht mehr gesetzlich verbieten. Seit 1978 ist eine verheiratete Frau voll geschäftsfähig, kann also ohne Zustimmung ihres Ehemannes Ausbildungs- oder Arbeitsverträge abschließen, über ein eigenes Einkommen verfügen und über ihren Wohnsitz selbst entscheiden; die Entdiskriminierung unverheirateter Frauen beginnt. 1989 wird Vergewaltigung in der Ehe ein Strafrechtsbestand. Bei sexueller Belästigung/Gewalt liegt ab nun die Beweislast nicht mehr beim Opfer, sondern beim Täter - angesichts sexueller Übergriffe gerade im Pflegeberuf kein unwichtiges Gesetz. Bis zum Jahrtausendwechsel und in den folgenden Jahren werden weitere juristische Regelungen getroffen, die etwa die Ausbildungs-, Entgelt- und Aufstiegsdiskriminierung betreffen und die weibliche Arbeitskraft aufwerten sollen.

An dieser Stelle stehen die Pflegeberufe heute: Die universitäre Ausbildung der Pflege ist inzwischen eingeleitet und der Aufgaben- und Verantwortungsbereich maßgeblich erweitert - ein eindeutiges Plus! Die Bezahlung ist aber nicht erheblich verbessert worden. Die Inhalte der Ausbildung hinken einer Politik nach, die sich dem Diversitätsanspruch im Gesundheitsbereich konsequent entzieht, ein Stichwort dazu lautet: kultursensible Pflege unter Miteinbeziehung der sexuellen Orientierungen.

Gleichzeitig ist der Tätigkeitsbereich noch immer mit unklaren Funktionstrennungen nach oben, im Bereich der ärztlichen Aufgaben, und nach unten, im Bereich der Reinigung und anderer Hilfsarbeiten, verbunden. Dazu kommt die geradezu kultivierte Rollenunklarheit, die sich im Vergleich der beruflichen Arbeit mit der familiären Versorgung durch Mütter oder Schwestern ausdrückt.

Widersprüchliche Erwartungshaltungen

Sowohl in der mobilen Pflege als auch im intramuralen Bereich zeigt sich im Umgang mit Arbeitszeiten und zusätzlichen Dienstzuteilungen das historische Erbe überdeutlich: Das Management agiert, als hätten Pflegekräfte keine eigene Familie oder Interessen (Prinzip Ehelosigkeit), und die Bezahlung soll trotz höherer Ausbildungskosten beziehungsweise Akademisierung der Pflegeberufe nicht wesentlich steigen (Prinzip Gotteslohn, Einsatzerhöhung und Bescheidenheit). Zeit und Personal werden verknappt, die Zahl der Pflegefälle steigt, die unmittelbare Nähe zu den Kranken macht Widerstand schwierig (Prinzip Aufopferung und Gehorsam).

In diesem Karussell widersprüchlicher Erwartungshaltungen von Führungskräften, Angehörigen und politisch Verantwortlichen bewegt sich die aktuelle Diskussion zur Lösung des sogenannten Pflegenotstandes. Einen Gordischen Knoten kann man jedoch nicht entflechten, man muss ihn zerschlagen. Dazu ist auch anstelle der vereinzelten Interessenvertretungen eine geeinte Pflegegewerkschaft nötig, die, gendergerecht und praxisnah besetzt, sich genauso wie die Ärztekammer traut, die umfassenden Interessen ihrer Klientel mit Streikaktivitäten durchzufechten.