Ehemaliger Skistar über den Umstieg in ein anderes Leben. | Mentales Training gegen den Druck von außen. | Spitzensport und Privatwirtschaft mit vielen Parallelen. | Wien. "Natürlich bin ich motiviert, wenn ich an den Start gehe." Über Journalisten-Fragen in diese Richtung musste sich Alexandra Meissnitzer früher des Öfteren ärgern. Wenn man sich beruflich an die Arbeit macht beziehungsweise als Sportler trainiert, sei man ja automatisch motiviert, findet die ehemalige Skirennläuferin.
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Das Wichtigste sei, ein Ziel vor Augen zu haben - ob als Spitzensportler oder als Unternehmer. Wobei Meissnitzer bei einem Vortrag im Forum EPU (Ein-Personen-Unternehmen) der Wirtschaftskammer Wien vor rund 200 Zuhörern gestand, sich extrem hohe Ziele zu setzen. "Es wird ohnehin von alleine weniger. Und man braucht auch Zwischenziele, um einen Antrieb zu haben. Ein Leben ohne Ziele kann ich mir gar nicht vorstellen."
Kein Wunder, dass dem ehemaligen Ski-Star aus Abtenau in Salzburg nach dem Ende der sportlichen Karriere 2008 binnen zwei Monaten "unheimlich langweilig" war. Freunde rieten ihr, Golf zu spielen oder eine Weltreise zu machen - doch das war nicht ihres. "Ich hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren."
Ihr Karriere-Ende als Sportlerin sieht sie heute als Job-Wechsel und als Einstieg in das "normale" Leben. Doch: "Es gehört Mut dazu." Daran hat es der Salzburgerin offensichtlich nie gemangelt. "Ich bin der Meinung, Risiko zahlt sich aus. Je weiter oben man ist, umso dünner wird die Luft. Also bin ich manchmal auch über hundert Prozent gegangen. Aber ich war überzeugt, mit 80 Prozent gewinne ich nicht einmal einen Blumentopf." Auf die akribische Vorbereitung sei denn auch der Großteil ihres Erfolges zurückzuführen gewesen, so Alexandra Meissnitzer. "Ich habe immer versucht, mehr zu tun, als mir der Trainer vorgeschrieben hatte. Wahrscheinlich haben das meine Kolleginnen auch so gemacht."
Konkurrenz beobachten gehört dazu
Um Erfolg zu haben, gehört das Beobachten der Konkurrenz dazu, auch wenn das niemand zugeben wolle. Schließlich gehe es darum, "besser zu sein als andere" - das war und ist Meissnitzers Antwort auf den Leistungsdruck im Sport ebenso wie in der heutigen Gesellschaft.
Um dem Druck von außen besser standhalten zu können, empfiehlt sie, dass man mental (an sich) arbeitet. Mit Qi Gong, einer aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) stammenden Meditationsform, hat Meissnitzer sehr gute Erfahrungen gemacht. "Als ich meine Karriere beendete, hörte ich vorübergehend mit Qi Gong auf. Daraufhin war ich ziemlich unausgeglichen, und meine Familie und Freunde rieten mir, doch wieder damit anzufangen." Wenn es um die Frage geht, wie man hingegen Niederlagen oder Enttäuschungen wegsteckt, hat die Ex-Skirennläuferin insbesondere den Ein-Personen-Unternehmern etwas mit auf den Weg zu geben: "Ich finde ja Kritik super, dann redet zumindest jemand mit dir. Aber man braucht eine dicke Haut, und daran muss man lange arbeiten."
Meissnitzers Devise lautet, "lieber eine falsche Entscheidung treffen als keine. Ich bin im Sternzeichen Zwilling, da fällt es mir nicht immer leicht, mich zu entscheiden." Entschieden hat sie inzwischen, dass sie nach dem Sport in die Wirtschaft geht. Ihr gehört zur Hälfte ein Restaurant in der Stadt Salzburg, sie moderiert Veranstaltungen, ist Sport-Kommentatorin im Fernsehen - und Wirtschaftsstudentin. Derzeit arbeitet sie an der Abschlussarbeit zum Master of Business Administration (MBA).
Der Spitzensport und die Privatwirtschaft haben nämlich viele Parallelen, wie Alexandra Meissnitzer erkannt hat. "Man nimmt ja auch als Spitzensportler Berufserfahrung mit. Man darf sich aber nicht zu schade sein, wieder Basics zu lernen." Also sitzt Meissnitzer, die demnächst 38 Jahre alt wird, mit teils wesentlich jüngeren Studierenden in einem Klassenraum und streitet sich mit ihnen darüber, wer in der Pause den Kaffee holt.
"Wir arbeiten nochlange genug"
Gerade Alleinunternehmern - die laut Wirtschaftskammer im Schnitt 40 Jahre alt sind - will sie daher ins Stammbuch schreiben, dass es für einen beruflichen Wechsel nie zu spät ist. "Wir arbeiten noch lange genug."
"In der Phase des "Change Management" befindet sich die Salzburgerin im Augenblick. "Das ist extrem spannend, weil ich nicht genau weiß, in welche Richtung die Entwicklung geht. Man muss offen sein und darf nicht verbohrt sein." Berufliche Veränderungen sollte man ständig überdenken, und so wie sich Spitzensportler an die Materialentwicklung anpassen, sollte man sich auch im Beruf an neue Verhältnisse anpassen.
Bei ihrem eigenen Change Management vertraut Alexandra Meissnitzer auch auf die internationalen Management-Gurus, wie sie der "Wiener Zeitung" sagte. "Man muss die Literatur auf jeden Fall mit berücksichtigen." Klar ist: Hat man sich einmal einen Namen gemacht, sei das "ein Türöffner", gesteht sie. "Trotzdem muss man sich bewähren. Ich möchte ohne meine Goldmedaillen auch etwas erreichen, nur deshalb wird einen heutzutage niemand mehr im Unternehmen behalten."