Politische Gegner vermuten Abgang. | Wiener ÖVP zeigt Geschlossenheit. | Wien. Nach dem Umbau der Bundes-ÖVP und dem Wechsel der Nachwuchshoffnung Sebastian Kurz vom Wiener Rathaus in die Bundesregierung wirkt die Wiener ÖVP mit Christine Marek an der Spitze noch verlassener als zuvor - "für sie wird es sicherlich nicht leichter", meinen Rathaus-Kenner. Manche sprechen sogar von einem sich abzeichnenden Rücktritt: Angeblich soll Josef Pröll nach der verlorenen Wien-Wahl Marek noch eine Schonfrist von einem halben Jahr in Aussicht gestellt haben.
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Bürgermeister Michael Häupl hat seiner "Sorge" um die Wiener ÖVP Ausdruck verliehen: "Die ist nicht mehr vorhanden im alltäglichen Geschäft", sagte Häupl vor kurzem zur "Wiener Zeitung". Zumindest sei beim letzten Landtag nur die halbe ÖVP-Mannschaft anwesend gewesen. Allerdings hat Häupl als Bürgermeister einer rot-grünen Koalition wenig Grund für lobende Worte Richtung ÖVP.
In der Volkspartei teilt man die Sorge nicht: "Marek wurde vor einem Jahr zur Obfrau gewählt, sie hat den Agenda-Prozess in Gang gesetzt und sie wird ihre Arbeit in ihrer besten Form weiterführen", erklärt etwa der nicht amtsführende Stadtrat Wolfgang Gerstl.
Natürlich sei ihre Rolle als Partei- und Klubobfrau ein Knochenjob. Sie müsse die "Herde" gut umsorgen und auf die richtigen Weideplätze bringen. Auch wenn es sich um die schwächste Landespartei Österreichs handle. "Umso angenehmer, wenn zwei Personen mit großer Wien-Affinität im Bund zu tun haben", so Gerstl. Daher begrüße er den Wechsel von Sebastian Kurz und Wolfgang Waldner sehr. Als Johannes Hahn Minister wurde, sei die Aufmerksamkeit für Wien erheblich gestiegen. Denselben Effekt erhofft sich Gerstl nun auch bei Kurz und Wadlner - die bei der nächsten Nationalratswahl eine große Rolle spielen werden, ist der Politiker überzeugt.
Der ehemalige ÖVP-Politiker Heinrich Neisser räumt der Wiener ÖVP in ihrer derzeitigen Form keine guten Chancen ein. Marek müsse enorm viel Energie aufwenden, um ihr Prestige aufrecht zu erhalten - Energie, die sie für ihre politische Arbeit bräuchte. Und diese Arbeit müsste auf den Säulen der Bezirke aufgebaut sein. "Es gibt keine ÖVP, die darauf verzichten kann, sich auf Bezirksorganisationen zu stützen", meinte Neisser. Doch die Bezirksarbeit sei völlig verschwunden. Trotzdem dürfe man nicht alles auf die Parteiobfrau abwälzen. Die Wiener ÖVP würde mehr Unterstützung von der Bundespartei benötigen, "aber der war Wien eigentlich immer schon wurscht", so Neisser.
Jetzt gerade werde dort der Fehler gemacht, "genau die klassischen Klischees zu erfüllen, von denen die Menschen genug haben: Die fachliche Kompetenz bei der Personalwahl in den Hintergrund zu stellen - es spielen immer nur die Interessen der Bundesländer und der Bünde eine Rolle", meinte Neisser kritisch.
Fehleranfälligkeit
In Wien versucht die ÖVP nun, aus den Bundesvorgaben das Beste herauszuargumentieren. Aber selbst wenn dort der Posten des Integrationsstaatssekretärs als Chance für die Jugend bewertet wird, ist man sich der Fehleranfälligkeit eines unerfahrenen Politikers bewusst: "Sebastian Kurz ist als Politiker zwar erstaunlich gut, aber ein 24-Jähriger ist eben noch nicht so erfahren", gibt man in der ÖVP zu.
Bei der rot-grünen Stadtregierung sieht man das problematischer: "Einen 24-jährigen Studenten auf die Hauptkampflinie von ÖVP und FPÖ zu stellen, ist Wahnsinn", heißt es da. Und: "Strache braucht Kurz nur mit seinem ,Sexomobil auf ein Plakat geben und darunter schreiben: Das ist der Mann, der sich um eure Anliegen kümmert."
Und was die Zukunft von Marek anbelangt, so sprechen ihre politischen Gegner von einem "Auslaufmodell". "Law&Order-Politik" wie im Wahlkampf werde es bei der Wiener ÖVP auf jeden Fall keine mehr geben - darüber ist man sich auch in der ÖVP sicher.