Die Sensation ist perfekt. Die SPÖ hat Platz eins zurück erobert. Aller Voraussicht nach heißt der nächste Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Daran werden wohl auch die Wahlkarten nichts mehr ändern. Die Volkspartei hat eine bittere, weil überraschende Niederlage einstecken müssen.
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Der Wahlkampf hat offensichtlich zu einer Wählervertreibung im großen Stil geführt. Demokratiepolitisch müsste dies eigentlich allen Parteien die Sorgenfalten ins Gesicht treiben, auch wenn in vielen vergleichbaren Demokratien die Beteiligungsquoten noch niedriger sind.
Damit rächt sich der Import US-amerikanischer Wahlkampfideen, die auf der einfachen Formel aufbauen, die Wähler der gegnerischen Seite zu demobilisieren. Nach dieser Logik ist - in Hinblick auf die Mitbewerber gesprochen - nur ein Nichtwähler ein guter Wähler.
Dieses Mal hat die Volkspartei die Hauptlast der niedrigen Wahlbeteiligung zu tragen. Ihre Wähler von 2002, als die ÖVP einen Erdrutschsieg feierte, blieben am gestrigen Sonntag in Scharen den Urnen fern. Entweder waren sie vom prognostizierten Wahlsieg Wolfgang Schüssels überzeugt und nutzten das in weiten Teilen Österreichs herrschende Schönwetter für einen Ausflug; oder aber sie waren von Zukunftsangebot und Bilanz der Kanzlerpartei nicht restlos überzeugt. Die Strategie der Kanzlerpartei ÖVP, auf den Bawag-/ÖGB-Effekt zu hoffen und ansonsten mit einem staatstragenden Wohlfühl-Wahlkampf zu punkten, ist nach hinten losgegangen.
Fast alles richtig gemacht hat in diesem Wahlkampf die SPÖ. Gusenbauer und seinem Team konnte die Bawag-Affäre nichts anhaben. Im Gegenteil: Offensichtlich mobilisierte der Skandal die rote Kernwählerschaft. Der offensiv-aggressive Wahlkampfstil vermittelte den notwendigen Siegeswillen.
Für die Volkspartei muss nun - früher als von vielen Beobachtern gedacht - ein radikaler personeller Umbau beginnen. Schüssel hat im Wahlkampf - nicht zuletzt im Interview mit der "Wiener Zeitung" - klar gestellt, nicht noch einmal als Vizekanzler zur Verfügung stehen zu wollen. Zwar hat er diese Festlegung am Sonntagabend relativiert und wahrscheinlich wird Schüssel seine Partei tatsächlich noch in die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ führen. Aber dann wird wohl Schluss sein.
Mit Schüssel wird eine ganze Politikergeneration der Volkspartei in absehbarer Zeit den Hut nehmen: Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, Liese Prokop und auch Nationalratspräsident Andreas Khol sind schon seit Jahrzehnten im Geschäft. Finanzminister Karl-Heinz Grasser wird wohl ebenfalls nach neuen Ufern aufbrechen.
Klubobmann Wilhelm Molterer könnte derjenige sein, der die Stabübergabe in der ÖVP in den kommenden Monaten und Jahren moderiert. Dann könnte die Stunde von Landwirtschaftsminister Josef Pröll schlagen.