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Für Solarstrom ist die Zeit der Unschuld vorbei

Von Konstanze Walther

Wissen

Rote Zahlen und Pleitemeldungen bei gekürzten Subventionen. | Marktbereinigung ist im vollen Gang.


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Wien. Mehr als allen anderen Energiequellen haftete dem Sonnenstrom lange Zeit ein Stück Hippie-Gefühl an. Die Energie ist unendlich. Es werden keine Flussbetten zubetoniert und auch die Vögel werden nicht im Flug gestört.

Und das, obwohl die Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie, Photovoltaik, im Kern eine Halbleitertechnologie ist und daher in der Herstellung ebenso energie- wie rohstoffintensiv.

Speziell in Deutschland hat man an die eierlegende Wollmilchsau geglaubt. Die Photovoltaik wurde mit Liebe und Fördergeldern überschüttet und liefert nun rund drei Prozent des deutschen Stroms. Der Plan war, nicht nur saubere Energie zu erzeugen, sondern durch die High-Tech-Industrie Milliarden an Wertschöpfung und Millionen an gesicherten Arbeitsplätzen zu schaffen. Der Vorwurf der Überförderung ließ nicht lange auf sich warten, der Steuerzahler müsse leiden, die Industrie habe zu wenig Anreize, ihre Technologie zu verbilligen.

Jetzt ist es so weit. Während die Solarindustrie eine Zeit lang fest in der Hand der Industrienationen war, sind unter den großen Zehn der Hersteller von Zellen (jener Flächen, die in einem Solarmodul zu finden sind) inzwischen acht mit Hauptsitz in Asien. Nur noch die Wechselrichter, jene Konverter, die den sonnigen Gleichstrom in den für unsere Schaltkreise nutzbaren Wechselstrom verwandelt, kommen noch hauptsächlich aus europäischer Produktion (etwa von dem österreichischen Unternehmen Fronius).

Sonnenregion Asien

Die Welt der Solarhersteller ist härter geworden. Billige Zellen aus Asien machen nicht nur allen anderen Zellherstellern das Leben schwer, sondern auch den Unternehmen, die sich mit der Erstellung solarthermischer Kraftwerke beschäftigen - wie der deutsche Kraftwerksentwickler Solar Millenium. Anfang August erklärte der Vorstand, dass man bei dem Mammut-Projekt in der kalifornischen Mojave-Wüste (wo der größte Solarpark der Welt gerade im Bau ist) klein beigibt. Nicht mit dem Markenzeichen des Konzerns -Solarthermie mittels Parabolrinnen - werde nun gebaut, sondern mit Photovoltaik - aber immerhin für zwei 250 Megawatt-Anlagen.

Was sich für Laien wie eine unwesentliche Änderung in der Technik anhört, war für die Börse Grund genug, die Aktie um 60 Prozent einbrechen zu lassen. Und ein Experiment scheint damit fast gescheitert. Können doch eigentlich Solarthermie-Kraftwerke Energie besser speichern als Photovoltaik. Doch: "Aufgrund des starken Verfalls der Photovoltaik-Preise kamen wir mit dem kalifornischen Energieversorger darin überein, die Stromabnahmeverträge auf Photovoltaik umzustellen", erklärte der neue Vorstandschef. Und das, wo es das Unternehmen ohnedies derzeit nicht leicht hat. Klagen und Widerklagen um den Firmengründer (Verdacht auf Betrug) stellen sicher, dass Solar Millenium derzeit für negative Schlagzeilen sorgt. Auch der Aufsichtsrat des deutschen Solarunternehmens Conergy hat nun eine Klage gegen ehemalige Vorstände des Hamburger Konzerns eingereicht - "wegen des Eingehens von existenzgefährdenden Risiken".

Zu Wochenbeginn berichtete das "Handelsblatt" zudem davon, dass der Konzern vor einem erneuten Umbau stehe. Man wolle sich künftig nur noch auf die Produktion von Solarmodulen konzentrieren und daher die Fertigung der Vorprodukte Wafern (Siliziumscheiben) und Zellen dicht machen. Conergy reagiere damit auf den harten Wettbewerbsdruck der chinesischen Konkurrenz, die nicht nur billiger sei, sondern inzwischen auch bessere Qualitäten produziere. Künftig wolle das Hamburger Unternehmen die Vorprodukte daher bei Mitbewerbern einkaufen.

Doch den Preisverfall bekommen inzwischen auch einige Konkurrenten in China zu spüren: Der chinesische Konzern LDK, Lieferant des deutschen Konzerns Q-Cells, schrieb im zweiten Quartal rote Zahlen.

Q-Cells, im Vorjahr noch sechstgrößter Produzent und 2009 wegen des starken Wachstums sogar als "Business of the Year" ausgezeichnet, überlegt indes, weitere Teile seiner Produktion nach Asien zu verlagern - wo auch längst schon die US-Firma First Solar produziert. Dass die Herstellung in Asien allerdings nicht der Heilsbringer ist, musste das ebenso aus den USA stammende Unternehmen Evergreen Solar, ein Pionier der Branche, feststellen. Seit zwei Jahren versuchte Evergreen Solar mittels einer Produktion in China gegen die Billigkonkurrenz anzukämpfen. Evergreen Solar gab Mitte August seine Insolvenz bekannt. Beschleunigt wurde der Niedergang durch das Zurückschrauben der Subventionen auf führenden Solarmärkten wie Deutschland, heißt es.

Schwache Nerven

In Deutschland ist Solarstrom aus Photovoltaik mittlerweile billiger als der Endkundenstrompreis - den Steuerzahlern muss das aber egal sein, die Förderungen für den erzeugten Strom aus einer gebauten Anlage betragen schließlich jeweils 20 Jahre.

Nach den Hiobsbotschaften berichten nun zahlreiche Medien über die Krise in der Solarindustrie, speziell in Deutschland, wo man annimmt dass der Absatz 2011 hinter jenem von 2010 zurückbleibt, nachdem nun auch die deutsche Regierung die Förderungen für Solarenergie zurückgeschraubt hat.

Wolfgang Hummel, Branchenexperte der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), erklärte zuletzt recht häufig, unter anderem im Deutschen Anlegerfernsehen, dass die Zeit nicht die beste sei, um in Solaraktien zu investieren. "Die Gefahr ist groß, dass (einige) Unternehmen vom Markt verschwinden", betonte er. Die unübliche Reaktion der renommierten HTW daraufhin zeigte, wie sehr die Nerven derzeit in Deutschland blankliegen. Herr Hummel sei nicht der Solarexperte der Universität und äußere lediglich seine Privatmeinung, hieß es wenig später auf der Homepage. Und das, obwohl sich die Meinung des offiziellen Solarexperten der HTW, Volker Quaschning, auf den ersten Blick nicht besonders von der Meinung seines Kollegen unterscheidet: "Es gibt derzeit eine klare Marktbereinigung. Noch existieren einige 100 Solarunternehmen, in zwei, drei Jahren sieht das anders aus", erklärt Quaschning im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das sei aber ein natürlicher Prozess. "Langfristig wird es so sein wie in der Automobilindustrie, wo auch nur 20 Große überlebt haben." Dass einige Unternehmen nun Pleite gehen, sei auf Management-Fehler zurückzuführen.

Falsche Entscheidungen

Noch vor drei Jahren war Silizium, das für die Herstellung von Solarzellen notwendig ist, relativ teuer. Deutsche Unternehmen hätten sich langfristig mit dem Rohstoff eingekauft, während später der Preis gefallen sei und die asiatische Konkurrenz sich am Spotmarkt billig eingekauft habe, betont Quaschning. Zudem profitieren asiatische Unternehmen von günstigen staatlichen Krediten. "Das heißt aber nicht, dass es der Solarbranche insgesamt schlecht geht", so der HTW-Experte. Auch für Europa bestehe Hoffnung. "Kurzfristig wird uns Asien den Markt wegnehmen. Langfristig glaube ich aber, dass der Trend zu maßgeschneiderten Lösungen in Gebäuden gehen wird. Dafür nützt die Serienproduktion von der Stange dann nichts." Zudem werden Solarzellen irgendwann so günstig sein, dass sich die Transportkosten nicht rentieren: "Es gibt auch keine chinesischen Fensterscheiben in Deutschland. Obwohl die in China wahrscheinlich billiger sind."