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Für steuerfreie Bezüge keine Werbungskosten?

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Die Kosten für den doppelten Haushalt des Dienstnehmers und für die Familienfahrten betrugen damals 95.000 Schilling. Ein solcher Brocken als Steuerabsetzposten klingt für viele Finanzämter nach Provokation. Kein Wunder, dass der Mann erst beim Unabhängigen Finanzsenat Anerkennung fand. Nach langem Hin und Her befand der Senat, dass man diese Kosten "dem Grunde nach" anerkennen müsse.


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Aber dann fanden die richterlichen Steuerjuristen doch noch einen Weg, um den Steuerabsetzposten zusammenzustreichen. Einen Weg, der für die Zukunft Ungutes erwarten lässt.

Doppelter Haushalt

Wenn ein Dienstnehmer in A-Dorf wohnt und gezwungenermaßen in B-Heim arbeitet, dann stellt sich die Frage nach doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten. Doppelter Haushalt heißt: einer am Hauptwohnsitz und ein zweiter am Ort der Berufsarbeit. Die Kosten des zweiten werden im Regelfall allerdings nur dann anerkannt, wenn es sich um eine temporäre Lösung handelt oder wenn der am Heimatort verbleibende Partner ebenfalls Einkünfte verdient (mindestens mehr als 2.200 Euro im Jahr). Jedenfalls aber müssen beide Orte soweit auseinander liegen, dass die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz unzumutbar ist (Annahme der Finanz: mehr als 120 km). Normalerweise verlangt die Behörde, dass der Wohnsitz-Haushalt alsbald an den neuen Arbeitsort des Dienstnehmers übersiedelt werden muss, bei Ledigen innerhalb von sechs Monaten, bei Partnerschaften innerhalb von zwei Jahren.

Familienheimfahrten

Wird die doppelte Haushaltsführung steuerlich anerkannt, dann gilt dies auch für die Familienheimfahrten des Dienstnehmers: Ledige dürfen einmal monatlich, Verheiratete einmal wöchentlich ins heimatliche Logis reisen, wobei die zulässigen Reisekosten allerdings mit (derzeit) 2.421 Euro jährlich limitiert sind. Die Frage, wann ein doppelter Haushalt vorliegt und ob er steuerlich anzuerkennen ist, ist Gegenstand einer Legion von Höchstgerichtsverfahren mit durchaus unterschiedlichen Aussagen. Es beweist immerhin, dass die Finanz der beruflich veranlassten Zweitwohnung im Regelfall kritisch bis ablehnend gegenübersteht.

Dem Grunde nach anerkannt

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer mit seiner Argumentation erst in der obersten Steuerinstanz, dem Wiener Unabhängigen Finanzsenat (UFS) Glück. Man konzedierte ihm, dass er - obgleich bloß 75 km vom Wohnort entfernt - nur nachts und übermüdet die Heimfahrt hätte antreten können, was "aus Verkehrssicherheitsgründen unzumutbar gewesen sei". Öffis standen nicht zur Verfügung. Also: doppelte Haushaltsführung plus 48 Familienheimfahrten anerkannt.

Steuerfreie Bezüge: Kürzung

Beim Studium des Jahreslohnzettels des Dienstnehmers fiel dem Senatsrichter jedoch auf, dass der Mann nicht nur laufende (lohnsteuerpflichtige) Lohnbezüge, sondern zusätzlich auch noch (lohnsteuerfreie) Überstunden-, Nachtzuschläge und sonstige Zulagen bezogen hatte. Steuerpflichtige und steuerfreie Bezugsteile standen - penibel herausgerechnet - im Verhältnis 77: 23%.

Und nun entstand eine Gedankenkette, die für künftige Werbungskosten-Verfahren wohl alarmierende Folgewirkungen haben kann. Der UFS sinngemäß: Für lohnsteuerfreie Bezüge können (anteilige) Werbungskosten nicht anerkannt werden. Im konkreten Fall: Die Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten sind nur zu 77% anzuerkennen; die restlichen 23% "fallen durch den Rost".

Problematische Zuordnung

Nun gibt es im heimischen Einkommensteuerrecht tatsächlich die Bestimmung, dass Ausgaben, die mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen "in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen", als Steuerabsetzposten ausscheiden. Diese Regel, die in der Praxis vor allem im betrieblichen Bereich und bei den Kapitaleinkünften zum Tragen kommt, ist bisher noch nie bei den Werbungskosten der Arbeitnehmer angewendet worden, zumal der "unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang" gerade hier schwer festzulegen wäre.

Es ist geradezu zum steuerlichen "Gewohnheitsrecht" geworden, beim Abzug von Werbungskosten keine Unter-scheidung zu machen, ob Ihnen lohnsteuerpflichtige oder steuerfreie Bezüge gegenüberstehen. Tatsache ist wohl, dass doppelter Wohnsitz und Familienheimfahrten nicht unmittelbar mit lohnsteuerfreien Bezugsteilen, sondern mit dem Dienstverhältnis insgesamt zusammenhängen, mit der fehlenden Arbeitsmöglichkeit am Wohnort, mit dem Zwang zum entfernten Job, mit der Unmöglichkeit der Wohnsitzverlegung und den fehlenden zumutbaren Öffis.

Gefährliche Problematik

Die neue Rechtsansicht des UFS birgt enorme Gefahren in sich, weil sie einem neuen Fiskalismus-pur die Türe öffnet. Sozialbeiträge, Fortbildungskosten, Arbeitsmittel, Fachliteratur, Reisekosten, Seminargebühren, kurz: der ganze Katalog an beruflichen Ausgaben könnte künftig einer neuen Aufteilungsmanie zum Opfer fallen.

Pitzlige Herumrechnereien, neue Streitereien, Rechtsmittelverfahren und jede Menge Ärger wären vorprogrammiert. Motto: Wer steuerfreie Einkünfte verdient, braucht keine Werbungskosten. Ein Menetekel aus der Wiener UFS-Werkstätte?