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Für Strasser wird’s ernst

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
Im EU-Parlament wollte Strasser laut Anklage gegen Geld unerlaubten Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen.
© © LUCAS DOLEGA

Ging es um Amtsgeschäfte oder nicht? Diese Frage könnte Prozess entscheiden.


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Wien. Was am 11. November 2010 mit einem konspirativen Treffen in einem Brüssler Lokal begann, endet für Ernst Strasser ab Montag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Dort muss sich der Ex-Innenminister und Ex-EU-Mandatar wegen Bestechlichkeit verantworten. Strasser soll im Herbst 2010 zwei als Lobbyisten getarnten englischen Journalisten angeboten haben, für ein jährliches Honorar von 100.000 Euro für die jeweils gewünschte Einflussnahme auf EU-Gesetze zu sorgen. Strassers Pech: Die Gespräche wurden aufgezeichnet. Nach der Veröffentlichung musste er im März 2011 zurücktreten.

Nun folgt also das rechtliche Nachspiel. Im Falle einer Verurteilung drohen Strasser bis zu zehn Jahre Haft. Sein Anwalt Thomas Kralik zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" allerdings "zuversichtlich, dass es einen Freispruch gibt". Woher Kralik seine Zuversicht nimmt? Laut Gesetz handelt es sich um Bestechlichkeit, wenn ein Amtsträger "für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt". Entscheidend ist für den Anwalt aber die "Rechtsfrage, ob es überhaupt ein Amtsgeschäft war".

Auch Experten, wie der Wiener Strafrechtler Helmut Fuchs, messen dieser Frage einiges Gewicht bei. Sollte die Beeinflussung von Gesetzen in Tätigkeiten bestehen, die nur ein Mandatar ausüben könne (etwa Reden dazu im Parlament halten, Gesetze einbringen), dann sei es ein Amtsgeschäft, so Fuchs. Sollte er aber nur andere Politiker überreden wollen, was jeder tun könne, dann sei es kein Amtsgeschäft.

Überreden wollte Strasser etwa den CDU-Mandatar Karl-Heinz Florenz, die EU-Richtlinie zur Elektroschrottentsorgung zu ändern. Florenz war Berichterstatter in der Sache. Strasser wollte laut einem E-Mail an Florenz zugunsten eines Freundes erreichen, dass Elektrohändler nur die Geräte zurücknehmen müssen, die sie selbst verkauft haben, nicht alle.

22 Zeugen an acht Tagen - teilweise per Video

Per Video-Schaltung wird Florenz am Montag als erster Zeuge befragt. Insgesamt sind für die geplanten acht Prozesstage 22 Zeugen geladen. Meldungen, wonach er fix Entlastungszeugen laden werde, wies Anwalt Kralik am Freitag zurück: "Wir werden sehen, ob sich die Notwendigkeit ergibt, weitere Zeugen zu laden."

Ob die beiden Enthüllungsjournalisten der "Sunday Times" ihrer Ladung am 3. Dezember nachkommen werden, ist offen. Sie hatten angekündigt, nicht aussagen zu wollen, solange ein Verfahren in Österreich gegen sie läuft. Strasser hatte sie wegen der heimlichen Aufnahmen geklagt. Allerdings wurden die Ermittlungen diese Woche eingestellt. Das will Strasser mittels Fortsetzungsantrag bekämpfen.

Strasser bleibt übrigens bei seiner Version, gewusst zu haben, dass man ihm eine Falle stellen wollte - in die neben ihm auch ein rumänischer und ein slowenischer Abgeordneter tappten. Er habe mehr über die Hintergründe erfahren wollen und Nachforschungen angestellt. Allerdings sei ihm dann die Veröffentlichung des Videos zuvorgekommen.

Ob ihm Richter Georg Olschak diese Geschichte glauben wird, bleibt abzuwarten. Wegen seines Promistatus’ darf sich Strasser kaum Hoffnung auf Milde machen. Olschak gilt im Grauen Haus als "Promischreck".

Sollte Strasser verurteilt werden, wäre es das zweite Korruptionsurteil gegen einen ÖVP-Politiker binnen weniger Monate. Erst am 1. Oktober wurde der frühere Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz (nicht rechtskräftig) zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.