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Ist die Realisierung von CEATS (Central European Air Traffic Services), einer überregionalen Flugverkehrskontrollzentrale, welche die Lufträume über den Staaten Bosnien-Herzegowina, Italien | (Nord), Kroatien, Österreich, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn umfasst, notwendig? Die Verspätungen im europäischen Flugverkehr haben im Oktober einen neuen Rekord erreicht; so kann man in | der Presse lesen. Schuld sei die Flugsicherung, verkünden die Airlines. Nun, es gibt Schwachstellen auf der Flugsicherungslandkarte, aber gerade diese wären durch CEATS nicht betroffen.
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Es ist auch ein Leichtes, hausgemachte Verspätungen der Airlines als "AirTrafficControl-Delay" zu verkaufen. Kapazitätsengpässe von Flughäfen tragen ihren Teil zur Unpünktlichkeit teil. Als
Gegenstrategie wird die Vereinheitlichung der Flugsicherung gefordert.
Vereinheitlichung der Systeme, ja; aber müssen deswegen Monsterzentralen gebaut werden, bei deren Ausfall durch technische Ursachen oder "nur" einer Bombendrohung halb Europa lahmgelegt wird? Seit
mehr als zehn Jahren wird über CEATS gesprochen. Die Absichtserklärungen der acht Staaten sind unterschrieben. Ratifiziert hat jedoch noch kein Parlament. Hier liegt die Chance noch dagegen auftreten
zu können.
Eine Arbeitsgruppe der Bundesfachgruppe Flugsicherung hat die Argumente den Verantwortlichen dargelegt und eine Kosten·Nutzenrechnung verlangt, bevor die Entscheidung getroffen wird.
Europa hat für jedes Land mindestens eine Flugverkehrskontrollzentrale (FVKZ). Dies bedeutet für einen Piloten der mehrere Länder überfliegt, einen oftmaligen Kurswechsel, da sich die
Kontrollbereiche an poltischen Grenzen orientiert haben. Die Idee hinter CEATS ist, die Bereiche zu einer Region zusammenzufassen, die von einer FVKZ kontrolliert wird. Damit führt der Kurs des
Flugzeuges geradewegs durch die Region · Zeit und Treibstoff werden gespart.
Das war die Situation vor mehr als zehn Jahren. Durch die politischen Veränderungen in Osteuropa, die rasante Weiterentwicklung in der Navigation (GPS usw.) und Telekommunikation ist die Philosophie
von Monsterzentralen technisch überholt und die einstigen Zielvorgaben (direktere Flugwege) schon jetzt Realität.
CEATS als Idee wurde im seinerzeitigen Bundesamt für Zivilluftfahrt geboren: Österreich, als Land mit der technisch fortschrittlichsten Flugsicherung, übernimmt gegen Bezahlung die Kontrolle über den
oberen Luftraum der in Frage kommenden Staaten. Je länger die Gespräche dauerten, desto mehr spielten die nationalen Interessen der Verhandlungspartner eine Rolle. Die Frage des Standortes (der zu
Beginn nur Wien war) wurde zur Entscheidenden. Da keine Einigung erzielt wurde, hat eine Betriebsberatungsfirma die Auswahl des Standortes vorgenommen. Ergebnis: Wien. Das fand keine Zustimmung bei
den anderen Ländern, worauf der damalige Verkehrsminister Klima das Projekt stoppte.
Die Führung der Verhandlungen hatte der Leiter der OZB, Sektionschef Gerhard Stadler inne. Der Vorstand der AustroControl (Nachfolgefirma des ausgegliederten BAZ) und die Belegschaftsvertretung waren
über eine Weiterführung der Verhandlungen nicht informiert, und mussten durch die Medien im Jänner 1999 die "Jubelmeldung" CEATS kommt nach Wien, erfahren.
Das Verhandlungsergebnis schaut nun so aus: Wien ist nur noch einer von 4 Standorten des Projekts und beherbergt die Kontrollzentrale, die strategische Planung kommt nach Prag, die technische und EDV-
Entwicklung bekommt Budapest und die Ausbildung des Personals wird in Rimini stattfinden. Da seit März Tschechien und Ungarn Mitglieder der NATO sind, wird die Einflussnahme Österreichs in diesem
Projekt keine große sein.
Kostenfrage
Die AustroControlGmbH (ACG) finanziert sich zu zirka 70 Prozent aus den Überflugsgebühren (weitere 15 Prozent aus Anfluggebühren, Rest aus anderen Einnahmen). Der Luftraum der an CEATS abgetreten
werden müsste (ab 29.000 Fuß) würde die Einnahmen um etwa 55 Prozent reduzieren und zur Existenzbedrohung führen, da nur zirka 15 Prozent weniger Personal (die möglicherweise zu CEATS wechseln
können) zu bezahlen wäre.
Die Argumentation der Befürworter des Projekts · steigender Flugverkehr würde den Verlust wett machen · kann seriös nicht vorhergesagt werden, hat doch der größte österreichische Flughafen Wien seine
Kapazitätsgrenze bald erreicht.
Die Konsequenz für die ACG wäre eine drastische Erhöhung der Gebühren. Dies würde sich vor allem auf die österreichischen Airlines negativ auswirken.
Die Kosten des vorgesehenen Grundstückes auf der Donauplatte von zirka 200 Millionen Schilling müssten die Steuerzahler aufbringen. Da CEATS exterritorialen Status bekommen würde, entgehen der
Republik Österreich -zig Steuermillionen.
Die Zerschlagung eines Vorzeigeunternehmens (wurde doch die ACG im Vorjahr zur besten und effizientesten Flugsicherung Europas gewählt und scheint in den Verspätungsstatistiken nicht auf) wird durch
den möglichen Prestigegewinn dieses Großprojektes nicht aufgewogen.
Die groß angekündigte Schaffung von bis zu 400 Hightec-Arbeitsplätzen stellt eine nicht nachvollziehbare Schätzung dar. Acht Länder wären an CEATS beteiligt, macht für jedes Land 50 Arbeitsplätze,
die aber in den bestehenden Kontrollzentralen verloren gehen.
Auswirkungen für die Airlines
Die Kosten der Errichtung und Betreibung wird von EuroControl den Airlines aufgebürdet und würde die Überflugsgebühren in den Baujahren um 13 Prozent erhöhen. Die durch CEATS versprochenen
Erwartungen bezüglich "direct-routings" können nicht erfüllt werden, weil diese bereits mit der neuen Luftstraßenstruktur (RNDSG-3) etabliert sind. Ein Service wie bisher, dass Starts in Wien in der
gewünschten Reiseflughöhe Österreich verlassen, wird es nicht mehr geben.
Neun Zentralen kosten mehr als die vorhanden acht. Es stellt sich noch die Frage, warum nicht die, von der räumlichen Kapazität geeignete FVKZ in Wien-Landstraße, in der gerade die modernsten
Kontrollpulte (Kosten zirka 350 Millionen Schilling) den Parallelbetrieb aufnehmen, verwendet werden kann. Eine Planung, die der CEATS-Verhandler in seiner damaligen Eigenschaft als Präsident des
Aufsichtsrates der ACG mitgetragen hat und die durch die Überflugsgebühren finanziert wird.
CEATS ohne Österreich · Österreich ohne CEATS?
Wenn die Republik Österreich nicht an CEATS teilnimmt, wird es · und das ergibt sich aus der geopolitischen Lage · kein CEATS geben. Das Argument, dann steht Österreich allein da und hat die
Folgen dieser Isolation zu tragen, ist reine Polemik. Die Schweiz, wesentlich kleiner als Österreich, dürfte keine Isolationsängste haben und betreibt noch dazu zwei Kontrollzentralen.
Über die sozialrechtlichen Konsequenzen die für das Personal entstehen, hat es noch keine Aussagen gegeben. Das ist ja auch bekanntlich wurscht! Die Hauptsache, es wird globalisiert und
rationalisiert. Ob sich die ACG dann noch dreieinhalb Vorstandsdirektoren leisten wird können? Aber selbst wenn sich diese selbst wegrationalisieren, mache ich mir um diese Leute keine
Arbeitsplatzsorgen · irgendwo wird sicher ein Manager gebraucht . . .
Genauere Informationen gibt es im Internet unter: www.ceats.at
Herbert Bichl war Fluglotse, ehemaliger Vorsitzender der Fachgruppe Flugsicherung, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe.