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Für Ungarn ist Demokratie gescheitert

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Studie: Magyaren sind desillusioniert. | Tschechen halten Wende für Erfolg. | Budapest. In Prag und Bratislava wird heute der Ereignisse gedacht, die auf Tschechisch als "samtene", auf Slowakisch sogar als "zärtliche Revolution" bezeichnet werden. Das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei brach relativ spät zusammen, weil die entscheidenden Umbrüche erst zwischen Mitte November und Ende Dezember 1989 stattfanden.


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Leitfiguren wie Vaclav Havel in Prag oder Ján Carnogursky in Bratislava agierten zudem lange als Einzelkämpfer, ohne dass es wie in Polen oder Ungarn eine strukturierte Reformbewegung gab. Trotzdem sind Tschechen und Slowaken letztlich offenbar dauerhafter in der Demokratie angekommen als etwa die Ungarn. Das ergibt sich aus der ersten vergleichenden Studie zur Demokratiewahrnehmung in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn überhaupt, die am Montag in der Zentraleuropäischen Universität in Budapest vorgestellt wurde.

Rund 60 Prozent der Tschechen, Slowaken und Polen halten den demokratischen Aufbau in ihrem Land für einen Erfolg, während ihn zwei Drittel der Ungarn als gescheitert ansehen und auch keine demokratischen Strukturen in anderen Ländern unterstützen. Das Leben im kommunistischen System barg aus ihrer Sicht deutlich mehr Vorteile, weshalb sie auch den fundamentalen politischen und wirtschaftlichen Wandel der vergangenen beiden Jahrzehnte nicht befürworten.

Wandel zu radikal

70 Prozent der Tschechen, 60 Prozent der Polen und immerhin noch 53 Prozent der Slowaken hingegen glauben, dass sie in der Demokratie deutlich besser leben als vor 1989. Dabei hätten sich die Slowaken einen weniger radikalen politischen und ökonomischen Wandel gewünscht. Die Mehrheit der Polen (62 Prozent) wie Tschechen (54 Prozent) ist zudem überzeugt, dass sich ihr Land von innen heraus demokratisiert hat.

Den Autoren der Studie zufolge herrscht in Ungarn "Verwirrung bezüglich des Begriffs Demokratie". Agnes Batory von der Zentraleuropäischen Universität glaubt, dass "die Ergebnisse aus Ungarn eine tiefe Desillusionierung widerspiegeln, die vor allem für die ältere und die Landbevölkerung kennzeichnend ist". Darüber hinaus schätze ein Großteil der Befragten offenbar wegen der aktuell sehr schwierigen Situation Ungarn Demokratie als solche nur gering.