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Rot-Grün präsentiert Details zum neuen Stadtrechnungshof.
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Wien. Ungewohnte Euphorie auf allen Seiten: Für Rot-Grün ist es ein "Jahrhundertwurf" und die Opposition spricht von einem "großartigen Erfolg der Politik". Der Grund für die Überschwänglichkeit: Nach zwei Jahren mühsamen Verhandelns haben sich nun alle Parteien auf den neuen Wiener Stadtrechnungshof geeinigt, der bereits ab Jänner 2014 das Kontrollamt ablösen soll, erklärten die Kontrollamts-Sprecher Thomas Reindl (SPÖ) und Birgit Hebein (Grüne) am Mittwoch. Heute, Donnerstag, soll der entsprechende Gesetzesbeschluss im Landtag mit der dafür notwendigen Zweidrittelmehrheit erfolgen.
Mit dieser Umstellung werden die Kontrollmöglichkeiten über die Stadtverwaltung ausgeweitet: Der Stadtrechnungshof erhält dieselben Prüfbefugnisse wie der Bundesrechnungshof und darf unter anderem nun erstmals auch jene Unternehmen prüfen, an denen die Stadt bzw. die Gemeinde Wien beteiligt ist - sofern sie das Unternehmen beherrscht. Zudem ist bei künftigen Public-Private-Partnership-Modellen ab 25 Prozent Beteiligung ein Prüfvorbehalt vorgesehen - allerdings in Form einer nicht bindenden Willensbekundung des Landtages. Außerdem - und das ist eine wesentliche Neuerung - kann künftig bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Prüfkompetenz der Verfassungsgerichtshof angerufen werden (siehe Kasten unten).
Diese Neuerungen führen nun unter anderem dazu, dass Unternehmen wie die Media Quarter Marx GmbH (MQM) geprüft werden können - eine schon oft erhobene Forderung der Rathaus-Opposition. Ihr ist schon lange die Beteiligung des privaten Partners, der VBM Beteiligungsmanagementgesellschaft mbH, am MQM ein Dorn im Auge. Die GmbH hält 60 Prozent am Medienzentrum auf dem Areal der ehemaligen Schlachthöfe St. Marx. Hinter der VBM soll sich unter anderem ein Eigentümer verbergen, der sich mit Geldern aus der Schweiz und der Ukraine finanziert. Die Spuren sollen bis in eine Steueroase in der Karibik reichen. Auch der umstrittene kasachische Ex-Botschafter in Österreich, Rakhat Aliyev, wurde in diesem Zusammenhang genannt. Die stadteigene Technologieagentur ZiT hält selbst 40 Prozent am Mediaquarter und konnte bis heute nicht geprüft werden, weil die Beteiligung unter 50 Prozent liegt und somit keine "beherrschende Stellung" vorliegt - obwohl im Gesellschaftsvertrag steht, dass alle Beschlüsse mit 80-prozentiger Mehrheit gefasst werden müssen.
Massiver Widerstand
"Natürlich können wir jetzt nicht die 60 Prozent der Familie Aliev prüfen, aber wir können die 60 Prozent in der MQM GmbH prüfen, genauso wie wir jetzt die 40 Prozent der Stadt Wien in der MQM prüfen", erklärte der Vorsitzende des Kontrollausschusses Wolfgang Ulm (ÖVP) in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dass 2012 die Wirtschaftsprüfungs GmbH Consultatio beauftragt werden musste, um herauszufinden, wer eigentlich der wirtschaftliche Eigentümer der MQM ist, sei eine Peinlichkeit der Sonderklasse gewesen, so Ulm. Dass die Verhandlungen rund um den Stadtrechnungshof so zäh verlaufen seien, ist für die ÖVP also nicht weiter verwunderlich. Immerhin hätten sich einige Stadträte sowie auch der Magistratsdirektor massiv gegen das Anrufungsrecht beim Verfassungsgerichtshof gewehrt.
Warten auf den VfGH
Was konkret das MQM betrifft, so warte man derzeit auf einen Bescheid des Verfassungsgerichtshofes, der wiederum vom Bundesrechnungshof beauftragt wurde, um zu klären, ob es sich beim MQM um eine beherrschende Stellung der Stadt handelt. Sollte das laut VfGH der Fall sein, müssen sich das MQM, das ZiT und die Wirtschaftsagentur prüfen lassen. "Und wenn dann noch etwas offen bleibt, können wir uns aussuchen, ob wir noch einmal den Bundes- oder eben den neuen Stadtrechnungshof beauftragen", so Ulm. Nachsatz: "Und es gibt nachträglich immer Dinge, die geklärt werden müssen."
Bei der für das ZiT zuständigen Wirtschaftsagentur gibt man sich diesbezüglich gelassen. "Wir unterstützen den Rechnungshof beim Ansuchen an den VfGH, das MQM prüfen zu lassen", hieß es am Mittwoch vonseiten einer Sprecherin. Man habe mehr als 10.000 Seiten Material zur Verfügung gestellt. Und es seien nicht, wie von der Opposition behauptet, dutzende Seiten davon geschwärzt gewesen, sondern nur "ein paar Zeilen", die die Rechte Dritter betroffen hätten. Zur Einrichtung des neuen Stadtrechnungshofes wollte man sich nicht weiter äußern.
"Bund muss nachziehen"
In den Klubs der SPÖ und den Grünen ist man auf jeden Fall froh darüber, "dass die Opposition endlich zur Vernunft gekommen ist" und ihre Zustimmung gibt. Auf die Frage, warum man nicht auf andere Oppositionsforderungen, wie etwa eine eigene Organstellung des Stadtrechnungshofes oder einen gesetzlich verankerten Prüfvorbehalt ab 25 Prozent Beteiligung eingegangen ist, antwortete Thomas Reindl, dass hier erst einmal der Bund nachziehen müsse. "Den nächsten Schritt machen wir, wenn der Bund den nächsten Schritt macht."
"Prüfvorbehalt kein Schaden"
Generell befürchtet die SPÖ einen wirtschaftlichen Schaden, wenn man Investoren einen Prüfvorbehalt aufzwingt. Für Ulm ist das Argument nicht nachvollziehbar: "Von einem wirtschaftlichen Schaden kann wirklich keine Rede sein. Jeder macht gerne Geschäfte mit der Stadt Wien, auch die Beteiligten beim MQM haben sicher keinen Nachteil daraus gezogen. Aber das wird jetzt mit Sicherheit noch Thema der nächsten Wochen und Monate sein."
Die Stadtrechnungshofnovelle umfasst unter anderem folgende Eckpunkte:
Das Kontrollamt wird in Stadtrechnungshof Wien umbenannt. Mit einem zusätzlichen Abänderungsantrag erfolgt die Weisungsfreistellung des Stadtrechnungshofdirektors.
Der Stadtrechnungshof bekommt dieselben Prüfbefugnisse wie der Rechnungshof. Dieser darf auch Unternehmen prüfen, die die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträger durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen tatsächlich beherrscht.
Hearing bei der Bestellung des Stadtrechnungshofdirektors: Die drei bestgereihten Kandidaten müssen sich einer nicht öffentlichen Anhörung im Stadtrechnungshofausschuss in Anwesenheit des Bürgermeisters unterziehen.
Die Abwahl des Stadtrechnungshofdirektors ist zukünftig nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat möglich.
Für den Stadtrechnungshofdirektor gelten auch Unvereinbarkeitsbestimmungen angelehnt an die Bestimmungen für den Präsidenten des Rechnungshofes sowie ein Berufsverbot.
Der Magistrat wird verpflichtet, die erforderlichen Personal- und Sachmittel auf Vorschlag des Stadtrechnungshofdirektors zuzuteilen.
Gibt eine geprüfte Dienststelle innerhalb von neun Monaten keine Stellungnahme ab, hat der Stadtrechnungshof eine neuerliche Prüfung dieser Dienststelle durchzuführen.
Der Tätigkeitsbericht des Stadtrechnungshofes hat künftig eine Darstellung zu enthalten, inwieweit den Empfehlungen nachgekommen wurde und wird im Stadtrechnungshofausschuss vorberaten.
Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Prüfkompetenz des Stadtrechnungshofes kann zukünftig der VfGH auf Antrag der Landesregierung und des Stadtrechnungshofes angerufen werden.
In der Geschäftsordnung der Ausschüsse soll es darüber hinaus zu Anpassungen im Bereich des Rede- und Fragerechtes kommen.