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Evidenz für Leben auf Rotem Planeten wird stärker - bemannte Mission hätte Vorteile.
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"Wiener Zeitung":"Curiosity", der ferngesteuerte Roboter auf dem Mars, ist eine technische Errungenschaft, die Respekt abringt. Doch welchen weiteren Wissensgewinn brachten die ersten sechs Monate seit der Landung?
Noah Warner: Wir haben mehrere Hinweise auf Wasser gefunden und sind in einem früheren Flussbett gelandet, in dem früher Wasser floss. Das ist eine essenzielle Komponente für derzeitiges oder vergangenes Leben. Nun suchen wir nach organischen Molekülen und wollen ein besseres Verständnis der Evolutionsgeschichte des Roten Planeten gewinnen. Hinzu kommen technische Fortschritte, die auch für künftige Missionen nützlich sein könnten. Etwa erfolgte die Landung erstmals mithilfe eines Krans und des größten Fallschirms jemals. Zuvor ließen wir die Rover fallen. Beim Aufprall haben sich Airbags aufgeblasen, die für eine weiche Landung sorgten. Da "Curiosity" mehr Instrumente denn je an Bord hat, wäre sie zu groß für Airbags gewesen.
Schon 2020 soll ein neuer Nasa-Rover auf dem Mars landen. Geht das denn nun so leicht?
Niemand würde es als leicht bezeichnen. Mehr als die Hälfte solcher Missionen sind erfolglos. Aber je mehr Missionen wir unternehmen und je ausgefeilter die Technik wird, desto besser können wir erwarten, erfolgreich zu sein. Technisch wird die Mission 2020 ähnlich aufgestellt sein wie die derzeitige MSL-Mission mit "Curiosity". Die Forschungsziele hängen aber auch davon ab, was jetzt herauskommt. "Curiosity" war ursprünglich für zwei Jahre geplant, aber nun hoffen wir, dass sie noch aktiv sein wird, wenn der neue Rover ankommt.
Wie wird "Curiosity" betrieben? Ist sie ein kleines Atomkraftwerk?
Ja, sie hat einen "Multi-Mission Radio Istotope Thermal Electric Generator" - eine radioaktive Wärmequelle. Laut den zuständigen Ingenieuren soll das Antriebsaggregat alle mechanischen Instrumente überleben.
Wie groß ist die theoretische Möglichkeit von Leben auf dem Mars?
Die Evidenz dafür wird stärker. Frühere Mars-Missionen haben Wasser unter den Polkappen gefunden, das täglich schmilzt und friert, aber vermutlich nicht sehr lange flüssig bleibt, weil der Atmosphärendruck zu gering ist. "Curiosity" hat Steine und Felsen entdeckt, die ähnlich wie jene auf der Erde aussehen und ähnliche chemische Komponenten haben.
Eine der fundamentalen Fragen, die die Weltraumforschung treibt, ist jene, ob wir allein sind oder nicht. Vor einem Jahrzehnt hatten wir noch keine Ahnung, dass es hunderte erdähnliche Planeten gibt. Mir kommt vor, dass es etwas geben muss da draußen. Das Universum ist zu groß, um etwas anderes zu erwarten. Da die Wissenschaft aber auf Hypothese, Evidenz und Conclusio baut, widmet sich die MSF-Mission dem besseren Verständnis des Roten Planeten und der Frage, ob der Mars Leben, wie wir es auf der Erde kennen, unterstützen kann oder konnte. Wenn die Antwort ja ist, muss eine andere Mission mit einer anderen Suite von Instrumenten dieses Leben finden. Auf der Suche nach den Baublöcken für extraterrestrisches Leben spielt "Curiosity" also nur eine Rolle. Ob sich aber aus all den Missionen eine Geschichte ergibt, die Leben nachweist, muss sich zeigen. Selbst unter den Forschern gibt es dazu einen Disput: Manche schwören darauf, dass es genug organisches Material auf dem Mars gibt und wir es nur finden müssen. Andere glauben das nicht. Die Meinungsunterschiede sind eine gute Grundlage für die Prioritätensetzung. Wir könnten unzählige Orte unter die Lupe nehmen, haben aber nur begrenzte Zeit und nur 72 Behälter im Rover zur Bodenproben-Analyse.
Welche Art von Leben suchen wir?
Zuerst würden wir nach Bakterien und simplen Organismen suchen, denn das Leben, wie wir es auf der Erde verstehen, begann mit kleinen Organismen. Ob höhere Organismen möglich sind, werden wir erst sehen.
Sie helfen den Wissenschaftern, die Orte zu erreichen, an denen sie forschen wollen - Maßarbeit per Fernsteuerung. Sind Sie täglich nervös, ob alles gut geht?
Die Nervosität nimmt nun, nach 180 Tagen, ab. Aber in den ersten 40 Tagen nach dem Eintritt in die Mars-Atmosphäre mussten wir ständig kontrollieren, ob alles funktioniert. Die erste Bohrung vor wenigen Tagen war die letzte Jungfern-Aktivität. Das entspannt. Wir haben das Fahrzeug in perfektem Zustand übergeben.
Wie steuern Sie den Rover?
Wir programmieren auf dem Keyboard das Ziel, wie weit er fährt und wo er zu stehen kommt. Eine Fahr-Sequenz kann 30 bis 100 Kommandos enthalten. Hinzu kommt eine Master-Sequenz aus Kommandos zum Tagesplan: aufstehen, fahren, Proben entnehmen, zu Hause anrufen.
Bringt "Curiosity" etwas zur Erde zurück?
Die Instrumente führen alle Analysen vor Ort durch. Der Rover sammelt mit Schaufel und Bohrer Bodenproben und siebt diese bis zur benötigen Feinkörnigkeit. Was in den Behältern landet, ist mit 20 Gramm Gewicht so groß wie ein Baby-Aspirin.
Die USA planen eine bemannte Mars-Mission. Was wären die wissenschaftlichen Vorteile davon?
Astronauten verfügen über Entscheidungsfähigkeit. Sie und ich können einen komplexen Prozess rasch verstehen - ein Computer kann nur, was Sie ihm einprogrammieren. "Curiosity" kann zu einem Felsen fahren, Fotos davon machen, das Hindernis evaluieren und einen Pfad um es herum finden, braucht aber Stunden dazu. Bei unerwarteten Faktoren muss sie Anweisungen abwarten - ein menschliches Gehirn ist also ein ziemlich großer Vorteil.
Astronauten wie Neil Armstrong gelten als Helden. Ist für Sie als Forscher "Curiosity" eine Heldin?
Das Witzige an "Curiosity" ist, dass sie dem Menschen ähnlich sieht und auch wie er arbeitet. Auch ein Geologe würde eine Schaufel, einen Bohrer und eine Kamera mitnehmen. Der Rover hat einen Arm, so etwas wie eine Schulter, einen Ellbogen und ein Handgelenk. In Kalifornien fragen wir einander täglich: "Wie ist es ihr heute ergangen? Hat sie ihre Sache gut gemacht?" Wir haben also eine Art persönliche Bindung zu einem Stück Hardware. "Curiosity" ist jedenfalls sicher eine Heldin für uns. Ich ertappe mich sogar dabei, dass ich mich frage, ob sie da oben nicht einsam ist.
Zur Person
Noah Warner, geboren 1978 in Sonoma County, Kalifornien, ist der Leiter des "Curiosity Surface Operations Team" der Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology, das für US-Weltraumbehörde Nasa tätig ist. Er ist verantwortlich für die Funk-Befehle an den Rover auf dem Mars. Warner studierte Luftfahrttechnik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und promovierte 2007 als Doktor der Philosophie ebendort. Am Dienstag präsentierte er Ergebnisse der "Curiosity"-Mission im Office for Outer Space Affairs der UNO in Wien.