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Für Zeitgewinn auf Geld verzichten

Von Walter Hämmerle

Wirtschaft
Das Geld aus den geleisteten Überstunden könnte beim Modell des Zeitwertkontos wieder in Lebenszeit umgewandelt werden. Foto: BilderBox

Maximal zehn Prozent des Lohns sollen angespart werden können. | In Deutschland Erfolgsmodell - aber mit anderen Motiven. | Wien. In Deutschland gibt es die Möglichkeit, ebenso in den Niederlanden. Und geht es nach dem Arbeitnehmerbund der ÖVP (ÖAAB), soll es bald auch in Österreich die Möglichkeit dazu geben. Die Rede ist vom so genannten Zeitwertkonto, das Arbeitnehmern die Möglichkeit bietet, auf freiwilliger Basis Teile des Gehalts auf ein Konto zu transferieren, um sich davon später eine Auszeit vom Berufsleben ohne finanzielle Nachteile nehmen zu können. Für eine Weltreise, für die Familie, für Fortbildung, einfach nur zum Hausbau oder zur Altersteilzeit.


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Und so sieht das ÖAAB-Modell für ein Zeitwertkonto im Detail aus: Bis zu maximal zehn Prozent des Brutto-Monatseinkommens sollen freiwillig angespart werden können. Übertragbar sind diesbezüglich Lohn, Gehalt, Überstunden, Prämien und Zulagen. Das so angesparte Geld soll brutto in Bundesanleihen oder betrieblichen Vorsorgekassen veranlagt werden. Steuern und Sozialversicherung fallen erst bei der Inanspruchnahme an.

"Zeitpunkt und Zeitdauer der Auszeit sollen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich vereinbart werden", erklärt ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl bei einem Hintergrundgespräch mit der "Wiener Zeitung". Er will damit Flexibilität nicht immer nur zu Lasten, sondern einmal auch zu Gunsten der Arbeitnehmer erweitern.

Rechtlich soll das Zeitwertkonto Eingang in den Kollektivvertrag finden. Dazu bedarf es eines Bundesrahmengesetzes - und damit der Zustimmung des Koalitionspartners SPÖ. Mit diesem sollen im Herbst Verhandlungen aufgenommen werden, beschreibt ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger das Vorgehen.

Das Land Oberösterreich hat in einem Pilotversuch im April 2010 das Zeitwertkonto beschlossen - allerdings nur für Landes- und Gemeindebeamte. Und das gegen die Stimmen der SPÖ, ohne die es im Bund nicht gehen wird.

SPÖ: Modell taugt nicht für Privatwirtschaft

Die Oberösterreichische SPÖ war dabei gar nicht grundsätzlich gegen die Idee. Ihr ist vor allem ein Dorn im Auge, dass sich das Zeitwertkonto nur an Besserverdiener richtet, da alle anderen ihr monatliches Gehalt für den Lebensunterhalt benötigen.

Kritik gibt es auch an der - aus Sicht der SPÖ - mangelnden Tauglichkeit für die Privatwirtschaft: Risiken wie Jobwechsel oder Arbeitslosigkeit würden nicht berücksichtigt. Mehr ins Detail geht die Kritik, dass Arbeitnehmer sich bei Krankenständen während der Auszeit diese selbst bezahlen müssten, was normal über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geschehe.

Etliche Fragezeichen ortet die SPÖ auch im Hinblick auf die Pension: Ältere könnten so zu einem früheren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verleitet werden; und allein schon die schiere Möglichkeit eines Zeitwertkontos könnte den politischen Druck auf Änderungen bei Hackler-Regelung und Korridor-Pension erhöhen - zu Ungunsten der Arbeitnehmer, wie die SPÖ befürchtet.

Über durchaus positive Erfahrungen mit dem Zeitwertkonto berichtet dagegen Hilmar Schneider, Direktor des Bonner Instituts für die Zukunft der Arbeit: In Deutschland habe sich dieses Arbeitszeitmodell seit den 90er Jahren erfolgreich in der Industrie und anderen Branchen etabliert. Allerdings verweist der Arbeitsmarktexperte auf die besonders rigiden Kündigungsbedingungen für Unternehmen in Deutschland: Das Zeitwertkonto sei in diesem Zusammenhang ein effizientes Instrument, die Flexibilität im Falle von Auftragsschwankungen zu erhöhen.

Also doch nur ein Instrument im Sinne der Unternehmer? Schneider: "Nein, keineswegs. In Deutschland hat sich jedoch gezeigt, dass aus Arbeitnehmersicht weniger der Faktor Auszeit als vielmehr ein Beitrag zur eigenen Jobsicherheit den Ausschlag für ein Ja zum Zeitwertkonto gibt."