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"Furcht vor Angriff Nordkoreas steigt"

Von Alexander U. Mathé

Politik
Nordkorea-Experte Hanns Günther Hilpert. Foto: swp

Nordkorea-Experte über die Zukunft mit Kim Jong-un. | "Wiener Zeitung": Was ändert die Ernennung von Kim Jong-un zum General? | Hanns Günther Hilpert:An der Politik vorerst gar nichts. Die Ernennung dient dazu, ihn der nordkoreanischen Arbeiterpartei und der Öffentlichkeit als Nachfolger von Kim Jong-il zu präsentieren.


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Wieso so umständlich? Die familieninterne Machtübergabe hat ja in Kuba auch ohne Umwege funktioniert.

Raul Castro war in der Partei bereits gut vernetzt und schon immer eine Führungsfigur. Kim Jong-un hingegen ist ein 27- oder 28-jähriger Grünschnabel und muss erst langsam aufgebaut werden.

Was bedeutet der Titel abgesehen von der Erbfolge?

Kim Jong-un wird sicher in manchen Dingen wirklich etwas zu sagen haben, sonst würde er diese Funktion nicht bekommen. Er wird Leistungen vorweisen müssen, um die Nachfolge zu legitimieren.

Was wird er da machen?

Ausländische Militärs fürchten, dass es zu einer Provokation und Aggression Nordkoreas nach außen hin kommen wird.

Was, wenn Kim Jong-il von heute auf morgen stirbt?

Sein Schwager Jang Song-taek ist im heurigen Mai von der Obersten Volksversammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden der obersten Militärkommission ernannt worden. Die ist die eigentliche Schalt- und Machtzentrale im Land. Kim Jong-il ist dort der Vorsitzende. Sollte er sterben, wäre Jang Song-taek der automatische Nachfolger. Der ist auch schon betagt, könnte aber vorläufig als Statthalter von Kim Jong-un regieren und diesem den Weg zur höchsten Macht ebnen.

Wie heikel wäre denn diese Situation? Vielleicht hat Jang Song-taek dann gar keine Lust, die Macht abzugeben.

Das weiß niemand so recht. In totalitären Diktaturen ist der Machtwechsel immer sehr kritisch. Da kann die Diktatur aus dem Gleis geraten. Die Frage ist, ob sich die Kim-Dynastie innerhalb der herrschenden Elite Respekt und Akzeptanz sichern kann, trotz der vielen Probleme im Land.

Die stalinistische Linie würde aber auf jeden Fall weitergeführt?

Eine harte Linie wird auf jeden Fall geführt werden, aber es gibt Abstufungen. Es gibt innerhalb der Führungselite eine Fraktion, die ist für marktwirtschaftliche Reformen nach chinesischem Vorbild. Andere möchten wieder bei der stalinistischen Herrschaftsstruktur bleiben. Es gibt eine Fraktion, die ist eher geneigt, einen Ausgleich mit den USA zu finden, die Hardliner wiederum würden gerne die Konfrontation mit den USA noch verschärfen. Jang Song-taek gehört zur harten Linie.

Könnte es im Todesfall Kim Jong-ils zu einer Revolte progressiver Kräfte kommen?

Zumindest nicht gleich. Aber in dieser Zeit kann es durchaus zu Richtungskämpfen kommen. Die Revolte käme aber von der Elite, nicht vom Volk. Das darbt und ist damit beschäftigt, sein tägliches Überleben zu sichern. Ohne Telekommunikation und Straßennetze ist die Organisation einer Revolte des Volks auch kaum möglich.

Wie bedeutend ist Nordkorea für die Region und die Welt wirklich?

Wirtschaftlich hat es überhaupt keine Bedeutung; aber von Nordkorea gehen reale Sicherheitsrisiken aus. Das Land gibt nukleares Know-how an den Nahen Osten weiter und man fürchtet, dass es nukleares Material an Dritte weitergibt. Auch konventionell stellt es eine Bedrohung dar, nämlich für Südkorea und Japan, wie der Untergang der südkoreanischen Fregatte Cheonan gezeigt hat. Wenn Nordkorea zusammenbricht, hätte das auch Auswirkungen auf die Nachbarstaaten. Flüchtlingsströme kämen nach Südkorea oder China und würden das soziale System in diesen Ländern stark in Mitleidenschaft ziehen.

Ist China als Bündnispartner machtlos?

China hat relativ wenig Einfluss auf die Politik Nordkoreas, obwohl es das Regime dort zum Einsturz bringen könnte. Das will Peking aber nicht, weil es in seinem Interesse ist, dass Nordkorea stabil bleibt. Es nimmt lieber ein totalitäres Nordkorea mit einem garstigen System in Kauf, als mit einem vom Süden einverleibten Nordkorea konfrontiert zu sein, möglicherweise mit US-Soldaten an der koreanisch-chinesischen Grenze. Dadurch genügt die Abhängigkeit Nordkoreas von China nicht, um etwa marktwirtschaftliche Reformen einzuführen oder Pjöngjang von Atombombentests abzubringen.

Zur Person

Dr. Hanns Günther Hilpert ist Politologe und Asien-Experte an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.