Noch am Freitag war der Vorstoß von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, zwei leer stehende Kasernen in Kufstein und Steyr auf zwei Jahre befristet für die Unterbringung von Flüchtlingen zu verwenden, auf weitgehende Zustimmung der politischen Parteien gestoßen. Über das Wochenende drehte sich jedoch die Stimmung: Vor allem FPÖ und SPÖ verwahren sich nun gegen diese Möglichkeit und führen die Furcht vor einem weiteren "Traiskirchen-Schicksal" als Begründung an.
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Der Name der niederösterreichischen Stadtgemeinde steht mittlerweile als Synonym für eine verfehlte Unterbringungspolitik in der Flüchtlingsfrage: Traiskirchen ist, weil noch immer kein Bundesland außer Wien und Niederösterreich jene Anzahl von Flüchtlingen unterbringt, die unterzubringen sie sich per 1. Mai dieses Jahres mittels Vertrag verpflichtet haben unterzubringen, nach wie vor heillos überbelegt. Mit allen daraus resultierenden Folgen für die Lebensqualität - das gilt für die Flüchtlinge genauso wie für die Stadtbewohner. Letztere haben erst vor kurzem eine Unterschriftenaktion gegen die für beide Seiten untragbare Situation gestartet.
Stimmungsumschwung übers Wochenende
Vor diesem Hintergrund ging Schüssel am vergangenen Freitag bei der Klubklausur der ÖVP mit seinem Vorstoß zur Öffnung der beiden Kasernen, der mit der Forderung nach einer Verschärfung des Asylrechts gekoppelt war, an die Öffentlichkeit. Noch am selben Tag meldete die Steyrer Orts-SPÖ ihren erbitterten Widerstand gegen das Vorhaben an. Die Bundes-SPÖ hielt zu diesem Zeitpunkt in Person des Menschenrechtssprechers Walter Posch die Schüssel-Idee noch für richtig, wenn auch für zu spät; die FPÖ hüllte sich an diesem Tag in Schweigen. Der Koalitionspartner ließ erst am Sonntag aus dem Munde von Parteichefin Ursula Haubner sein "Nein" zur Kasernen-Öffnung in Steyr und Kufstein verlauten. Man dürfe "nicht aus einem Traiskirchen drei machen", meldete sich später auch der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider zu Wort.
Am gestrigen Montag revidierte dann auch die SPÖ ihre anfangs zustimmende Linie. Die SPÖ-Steyr, für die der Vorschlag schon gestern ohnedies "vom Tisch" war, erhielt Rückendeckung von Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos: Er fand es ganz sicher für den falschen Weg, "von oben herab die Öffnung der Kasernen von Steyr und Kufstein zu verordnen".
Die Landes-SPÖ hat ihren Widerstand am Montag nach einem internen "Orientierungsgespräch" in einen Kompromiss-Vorschlag kanalisiert. Demnach könne man sich die Aufnahme von rund 100 zusätzlichen Asylwerbern in kleinen Wohneinheiten in Steyr vorstellen. Ein Großquartier in der Kaserne werde abgelehnt, dürfe die Stadt doch kein zweites Traiskirchen werden, meinte Sozial-Landesrat Josef Ackerl.
Mit Skepsis reagierten die oberösterreichischen Grünen auf den Kompromissvorschlag der SPÖ. Die Schaffung von Betreuungsplätzen für Asylbewerber in kleineren Wohneinheiten sei zwar begrüßenswert, erklärte Klubobmann Gunther Trübswasser, er frage sich jedoch, warum man die von Ackerl angekündigten 100 Quartiere nicht bisher schon anbieten habe können. Schließlich fahnde man bereits seit Monaten nach Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlinge in Oberösterreich.
Schadenfreude bei der FPÖ
Für FPÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch ist Schüssel auch mit seinem zweiten Lösungsansatz in der Asylfrage gescheitert. Nachdem schon der erste Vorschlag aus der ÖVP - "eine Flüchtlingsfamilie pro Gemeinde" - auf wenig bis gar keine Gegenliebe gestoßen sei, stelle sich nun auch das ins Spiel gebrachte "Öffnen der Kasernen für Flüchtlinge" als unbrauchbar heraus. Asylbewerber sollten in Erstaufnahmezentren direkt an der Grenze untergebracht werden, die sie bis zur Ausstellung des Erstbescheides nicht verlassen dürfen, forderte Haubner.
Relativ entspannt im Vergleich zu Oberösterreich verläuft die Debatte in Tirol: Sowohl ÖVP wie auch SPÖ begrüßen den Plan, die Kaserne Kufstein für Flüchtlinge zu öffnen. Für Landeshauptmann Herwig van Staa ist den großen Tiroler Gemeinden die Unterbringung von jeweils bis zu 100 Asylwerbern durchaus zumutbar, wenngleich die Rahmenbedingungen noch zu klären seien.
Betont gelassen reagierte man gestern bei der ÖVP auf die Diskussion rund um ihren Vorstoß. Vize-Chefin Gehrer freute sich, dass Haubner ein offenes Wort pflege, alles weitere werde man intern besprechen. Klubobmann Molterer verwies ebenso wie Innenminister Strasser auf die Zuständigkeit der Länder. Und die beiden Betroffenen haben hier ohnehin einiges an Nachholbedarf: In Oberösterreich fehlen 927 Plätze auf die in der Grundversorgung vereinbarte Quote, in Tirol gar 948.