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Fürs Leben oder für Pisa lernen?

Von Heiner Boberski

Politik

Schon im April beginnen Tests für die nächste Pisa-Studie. | Wichtig: Rolle der Lehrer und der Qualitätskontrolle. | Wien. Auch genau ein Jahr nach der Publikation der Ergebnisse der internationalen Bildungsvergleichsstudie Pisa (Programme for International Student Assessment) wird noch darüber heftig diskutiert. Das ist gut so, denn im April und Mai 2006 stehen bereits für rund 5000 Angehörige des Jahrgangs 1990 Tests für die nächste Pisa-Studie bevor. Außerdem werden im Rahmen von Pirls (Progress in International Reading Literacy Study) etwa 5000 Schüler der vierten Klasse Volksschule auf ihre Lesefähigkeiten getestet.


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Dass Österreich zuletzt nicht über das Mittelfeld hinausgekommen ist, lässt sich nicht beschönigen. Selbst wenn Details der Erhebung sowie der Vergleichbarkeit mit Pisa 2000, wo Österreich noch etwas besser abschnitt, von Statistikern krisiert werden, waren sich alle Bildungspolitiker, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, einig, dass Handlungsbedarf besteht. Vor allem die aufgezeigte dramatische Leseschwäche bei einem Fünftel der Jugendlichen erregte mit Recht Besorgnis.

Je nach politisch-ideologischem Blickwinkel wurden natürlich unterschiedliche Schlüsse gezogen beziehungsweise Ladenhüter der bildungspolitischen Debatte aus der Mottenkiste geholt. So wurde die Gesamtschule zum Allheilmittel erkärt, weil es sie im Pisa-Musterland Finnland gibt, aber meist verschwiegen, dass Finnland ein strenges Numerus-clausus-System für den Hochschulzugang und vor allem für die Lehrer-ausbildung praktiziert und einen geringeren Ausländeranteil hat. Und jene, die bisher punktuelle Prüfungen in Frage stellten, sahen das Ergebnis der Pisa-Studie als Beweis dafür, wieviel im heimischen Schulsystem im Argen liege.

Kontinuität gesichert

Was dann geschah, waren noch keine bildungspolitischen Großtaten, aber Weichenstellungen in die richtige Richtung. Dass die Zweidrittelmehrheit für die meisten Schulgesetze, aber nicht für alle fiel, war ein vertretbarer Kompromiss, der Freiräume für Schulreformen bietet, aber auch eine gewisse Kontinuität des Systems sichert. Dass jede neue Regierung die Schule total umkrempeln kann, wollen die wenigsten.

Dass die Erkenntnisse der Zukunftskommission des Bildungsministeriums, wenn überhaupt, nur zaghaft und langsam umgesetzt werden, mag zwar deren Leiter, den bisherigen österreichischen Pisa-Koordinator Günther Haider, ärgern, war aber nicht anders zu erwarten. Und ob die im inzwischen beschlossenen ersten und im bevorstehenden zweiten Schulpaket getroffenen Reformen (darunter die Fünftagewoche und der Ausbau der Tagesbetreuung, aber auch Kleinigkeiten wie die Umbenennung des Turnunterrichts) bereits zur Hebung der Qualität führen, darf getrost in Frage gestellt werden.

Entscheidende Fragen der Zukunft werden die Ausbildung und Motivation der Lehrer sein (die Umbenennung ihrer Ausbildungsstätten genügt nicht) und der Umgang mit Bildungsstandards und Qualitätskontrolle von außen. Schlagworte wie "Nur kein Durchfallen" oder "Wenn Kinder nach Hause kommen, wollen sie und die Eltern nichts mehr von Schule hören" reichen nicht. Und ein Hintrimmen allein auf das, was bei der nächsten Pisa-Studie ein besseres Ranking verspricht, genügt sicher auch nicht.