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Fusion - eine riskante Strategie

Von Anja Stegmaier und Michael Schmölzer

Wirtschaft

AT&T will Time Warner übernehmen. Doch Größe ist langfristig keine Garantie für Erfolg.


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Dallas/New York/Wien. Eine Megafusion steht bevor: Der US-Telekomgigant AT&T will Time Warner für über 100 Milliarden Dollar kaufen. Der Deal würde die Medienlandschaft der USA stark verändern, denn zu Time Warner gehören Sender wie CNN oder der Bezahlsender HBO. Doch es gibt Hinweise, dass sich die Manager der gigantischen Konzerne verrechnet haben könnten. Denn oft bedeuten Megafusionen nicht, dass sich der Gewinn in Zukunft vergrößert.

Häufig sind es kleine Unternehmen, die im digitalen Bereich schneller und flexibler auf den sich ständig wechselnden Markt reagieren und mit Innovation das Moment auf ihrer Seite haben. Wie etwa Netflix. Ende der 1990er ärgerte sich Reed Hastings über die Mahngebühren seiner entlehnten DVDs. Mit seinem Partner gründete er einen Online-DVD-Verleih mit knapp 30 Mitarbeitern. Im Juli 2016 vermeldete Netflix, weltweit 83 Millionen Abonnenten zu haben. Mahngebühren beim Filmverleih sind heute passé. Mit dem Abo-Streamingdienst steht das Unternehmen heute an der Spitze - die Marktstellung bleibt trotz sprießender Konkurrenz, wie Hulu oder Flimmit, bisher ungebrochen.

Das macht Traditionsunternehmen im Film- und Seriengeschäft nervös - und sie teilen sich die Sorge mit den Telekommunikationsanbietern. Denn ihr klassisches Kerngeschäft, Festnetz und Mobilfunk, sind vom mobilen Internet überholt worden. "Die Zukunft des Mobilgeschäfts ist Video, und die Zukunft von Video ist mobil", sagte AT&T-Chef Randall Stephenson die Motivation zur geplanten Übernahme. Sie suchen nach neuen Einnahmequellen und exklusiven Inhalten für ihre Netze. Dienste wie Netflix und Spotify nutzen nämlich die Infrastruktur der Telekomunternehmen und benötigen ein immenses Datenvolumen - am besten unlimitiert und mit hoher Geschwindigkeit. Die Provider verdienen an der Sache allerdings weniger.

Fusion statt Innovation

Von einer Fusion erhoffen sich Unternehmen Verbundvorteile und Skaleneffekte, also mehr Gewinn und die Marktführerschaft, sowie Einsparungspotenzial. Das kann natürlich funktionieren. Allerdings stellt sich bei vielen Fusionen heraus, dass nicht unbedingt ein größeres Unternehmen auch höhere Gewinne nach sich zieht.

Nicht wenige prominente Fusionen führten sogar zu Verlusten bei den Aktionären. Bei der Bekanntgabe eines Zusammenschlusses steigen die Aktienkurse der fusionierten Unternehmen nicht selten in die Höhe. In vielen Fällen können die Unternehmen die hohen Erwartungen aber nicht erfüllen. Ein Beispiel aus der Medienbranche, dass Synergien überschätzt werden und Synergie- und Größeneffekte die Integrations- und Koordinationskosten nicht kompensieren können, ist die Fusion von Time Warner und AOL 2001. Aus alten und neuen Medien sollte ein Imperium entstehen. Die erhofften Synergieeffekte stellten sich jedoch nicht ein. Außerdem passten die Unternehmenskulturen nicht zusammen - acht Jahre danach war der Preis der Time-Warner-Aktie um über 80 Prozent gefallen, die Fusion wurde rückgängig gemacht. Infrastrukturunternehmen setzen nicht erst mit dieser Fusion auf Inhalte: AT&T kaufte erst vergangenes Jahr den Satellitenfernsehanbieter DirecTV. Comcast schluckte vor einigen Jahren den Medienkonzern NBC Universal und Verizon übernahm 2015 AOL und hat zudem vor wenigen Monaten den Kauf von Mitbewerber Yahoo beschlossen.

Skepsis in den USA

Unterdessen wird die Mega-Fusion von der Regulierungsbehörde und der US-Politik argwöhnisch beäugt. Die Forderungen nach einer strengen Wettbewerbsprüfung des über 100 Milliarden Dollar schweren Deals mehren sich. Für US-Senator Al Franken schrillen angesichts der Konzentration im Mediengeschäft die Alarmglocken. Tim Kaine, der im Team von Hillary Clinton für die Demokratische Partei für das Amt des Vize-Präsidenten kandidiert, sagte am Sonntag, er teile die Sorgen und Fragen von Franken. Schon zuvor hatte der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump angekündigt, er werde im Fall eines Wahlsiegs versuchen, die Übernahme zu verhindern. Die Medien würden schon heute "von zu wenigen kontrolliert".

AT&T rechnet selbst mit einer langwierigen Wettbewerbsprüfung und plant den Abschluss erst Ende 2017. Vor fünf Jahren hatte sich der Plan zur Übernahme des Konkurrenten T-Mobile an Bedenken der Kartellwächter zerschlagen.