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Fußball im Gasthaus

Von Hermann Schlösser

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Am Sonntagabend bin ich im Wiener "Statt Beisl" gewesen, das zum "WuK" in der Währinger Straße gehört. Dort wurde nämlich das Endspiel der Europameisterschaft auf einem großformatigen Bildschirm gezeigt, und da habe ich zugeschaut.

Fernsehen im Gasthaus, das ist ja längst nicht mehr so üblich, wie es in den Kindertagen des Mediums gewesen ist. Deshalb nutze ich die Chance, und rezensiere nicht die allseits bekannte Sendung, sondern das Publikum. Also: Der Andrang war groß, vor allem war die alternative Szene vertreten, darunter auffallend viele junge Frauen.

Die Mehrheit hielt wohl zu den Griechen, doch gab es in meiner Nähe auch eine sehr engagierte Portugal-Fraktion. Rechts hinter mir saß ein Fußball-Dadaist, der lauthals "Frankreich! Frankreich!" rief, was gut zur allseits ausgelassenen Stimmung passte. Als sich der Sieg der Hellenen abzeichnete, sangen einige Fans "Griechischer Wein".

In der 85. Minute geschah auf dem Bildschirm Ungewöhnliches: Ein Mann aus dem Publikum durchbrach alle Sperren, raste in einem wahren Sturmlauf über das Spielfeld und stürzte sich ins griechische Tor.

Als die portugiesische Polizei den Irrläufer abführte, wurde er in der Währinger Straße mit Applaus und Freudengeheul verabschiedet. Ich habe mitgeklatscht. Denn ohne diesen Störer, der sich die Freiheit nahm, ins Finale der Meister einzudringen, wäre das Spiel nur halb so lustig gewesen.