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Steuerhinterziehung, Transfer-Erpressungen, Despotenverehrung: Moralische Instanzen sind die kickenden Stars schon lange nicht mehr.
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Wie hat sich der Fußball seit der WM 2014 in Brasilien verändert respektive weiterentwickelt? Diese Frage auf rein sportlicher Ebene zu beantworten, wird in den nächsten Tagen und Wochen die Aufgabe der unzähligen Experten sein. Wie sich der Fußball seither abseits des Platzes verändert hat, lässt sich aber in einigen Parametern schon jetzt klar sagen - und vorweg: Es ist alles andere als eine Ruhmesbilanz.
Zunächst ging es seit dem WM-Abpfiff in Brasilien dem korrupten Machtzirkel im Weltfußballverband Fifa an den Kragen. Endlich darf dazugesagt werden, wiewohl immer noch nicht klar ist, ob damit die Spitze oder der ganze Eisberg freigelegt wurde. Von Präsident Sepp Blatter über seinen Vize Michel Platini und Konsorten wurde fast die gesamte Führungsebene weggespült - und das juristische Nachspiel ist immer noch am Laufen. Und da bekanntlich der Fisch am Kopf zu stinken beginnt, dauerte es nicht lange, bis die korrupten Machenschaften von den Funktionären auf Spieler und Betreuer übergriffen und aufgedeckt wurden - Stichwort "Football Leaks". In diesen Dokumenten wurden die offenbar gängigen Steuerverminderungspraktiken, um es nobel auszudrücken, publik - involviert war die Crème de la Crème des Weltfußballs von Cristiano Ronaldo über José Mourinho bis hin zu Mesut Özil, Luka Modrić, James Rodríguez sowie Radamel Falcao. Sie alle sind ins Visier der Steuerfahnder geraten und haben sich großteils schon mit Millionenzahlungen an den Fiskus von etwaigen Haftstrafen freigekauft. Nicht zu vergessen in dieser Riege ist der allergrößte Steuervermeider und Kicker in einer Person - Lionel Messi. Der argentinische Superstar kam 2017 mit einer 21-monatigen Bewährungsstrafe für seine rechtswidrigen Steuertricks davon. In Russland dürfen alle genannten Akteure daher weiter Fußballhelden spielen und zusätzliche Millionen scheffeln. Aber da in diesem System der unersättlichen Gier die Kreativität zu neuen Gaunereien recht hoch ist, tauchte vor einigen Monaten das Phänomen des Transfer-Freipressens auf. Angesichts obszöner Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich legten etwa Ousmane Dembélé, Philippe Coutinho und Pierre-Emerick Aubameyang ihre Arbeit nieder, um so zu noch mehr Kohle zu kommen. Und last but not least in dieser Aufzählung des moralischen Verfalls der Fußballspieler dürfen Ilkay Gündogan und Mesut Özil sowie Mohamed Salah vor den Vorhang geholt werden, die keine Berührungsängste hatten, sich lächelnd mit brutalen Machthabern (Recep Tayyip Erdogan respektive Ramsan Kadyrow) zu präsentieren beziehungsweise präsentiert zu werden. Wenn all das so harmlos und unpolitisch gedacht war, fragt man sich, warum keiner dieser Stars sich nicht auch mit iranischen Kicker-Kollegen ablichten lässt, wenn diese aus dem WM-Team fliegen, weil sie mit ihrem Klub gegen Israelis angetreten waren. Einfach nur so, der "guten Gesellschaft" wegen.
So bitter es klingt, rein sportlich mögen all diese Namen für unsere Kinder ein Vorbild sein, als moralische Instanzen taugen sie aber schon lange nicht mehr. Wenn aber nur noch der schöne Schein und das schöne Spiel zählen, wird der Fußball irgendwann zur leeren Hülle. Kein Fan kann das wollen.