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Futter für die große Materialschlacht

Von Michael Schmölzer und Alexander Dworzak

Politik
Der Panzer T-72 stammt aus Zeiten der Sowjetunion. Die Armeen von Russland und der Ukraine nutzen das Gerät, Tschechien hat der Ukraine mehrere Dutzend T-72 überlassen.
© REUTERS / Serhii Nuzhnenko

Schwere Waffen aus sowjetischer Produktion sollen Ukraine rasch helfen. USA und Großbritannien liefern Hightech.


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Allen Verbündeten der Ukraine ist klar, dass das Land schwere Waffen benötigt, um die russischen Truppen zurückzudrängen. Primär gefragt sind derzeit Panzer und gepanzerte Kampffahrzeuge, Artillerie, Kampfjets und Hubschrauber, weniger Kampfschiffe.

Bei der konkreten Umsetzung hapert es momentan vor allem in Deutschland. Die SPD beharrt auf der Position, die Ukraine mit Geld für Waffenkäufe auszustatten. Direkte Waffenlieferungen seien aber nicht möglich, die Bestände der Bundeswehr seien erschöpft. Im Unklaren lässt Bundeskanzler Olaf Scholz dabei, ob er prinzipiell will, dass Deutschland schwere Waffen liefert. Und falls nicht, warum dem so ist.

Kurzfristig sollen der ukrainischen Armee vor allem Waffen sowjetischer Bauart helfen, die dort noch Standard sind. Lange Einschulungen und Ersatzteilprobleme fallen dadurch weg. Als Lieferanten kommen somit primär ehemalige Staaten des Warschauer Pakts infrage. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock schlägt einen "Ringtausch" vor: Wenn Länder die sowjetischen Waffen an die Ukraine liefern, würde die Bundesrepublik die fehlenden Bestände mit neuen Waffensystemen auffüllen.

Waffen geliefert, als andere nur Helme anboten

Baerbock deponierte diese Idee nun bei einem Besuch im Baltikum. Estland, Lettland und Litauen gehören sowohl EU als auch Nato an und grenzen entweder an das russische Kerngebiet oder die Exklave Kaliningrad. Trotz der geografischen Nähe zu Russland sind Debatten wie in der Bundesrepublik fremd, ob die Lieferung schwerer Waffen bedeutet, dass das Land Kriegspartei wird - was der deutsche Justizminister Marco Buschmann nun verneint hat. Die Balten versorgen die Ukraine, so gut und schnell sie können. Estland lieferte bereits vor Kriegsbeginn am 24. Februar Panzerabwehrraketen. Zu der Zeit bot Deutschland nur 5.000 Helme an.

Beim Wert der gelieferten oder versprochenen Waffen liegt Estland sogar auf dem zweiten Platz weltweit, getoppt nur von den USA. Das ergab der "Ukraine Support Tracker" des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Dessen Daten reichen derzeit allerdings nur von Kriegsbeginn bis Ende März. Schwierig sind Ländervergleiche zu Waffenlieferungen auch, da viele Staaten nur sehr vage Angaben über ihre Unterstützung der Ukraine machen, um Russland keinen Informationsvorteil zu verschaffen.

Tschechien als Pionier bei Panzerlieferungen

Nicht so im Falle Tschechiens: Die Regierung unter dem konservativen Premier Petr Fiala war eines der ersten Länder, das der Ukraine auch schwere Kampfpanzer geliefert hat. Es wurden bereits mehrere Dutzend Fahrzeuge der sowjetischen Bauart T-72 und BMP-1-Schützenpanzer per Güterzug überstellt, wie tschechische Medien berichteten. T-72-Panzer wurden in der Zeit des Ostblocks auch in der früheren Tschechoslowakei in Lizenz produziert. Tschechien hatte zuletzt noch rund 90 Exemplare einer älteren, nicht modernisierten Version eingelagert, mit der die ukrainische Armee vertraut ist.

Darüber hinaus wird der Rüstungskonzern Czechoslovak in seinen Werken ukrainische Panzer und andere Militärfahrzeuge reparieren. Kleinere Probleme oder Schäden würden in der Ukraine selbst behoben, so das Verteidigungsministerium in Prag.

Neben Tschechien greifen in Österreichs Umgebung die Nato-Länder Slowakei und Polen der Ukraine militärisch unter die Arme. Die Slowakei hat ihr Luftabwehrsystem S-300 an die Ukraine übergeben, es ist offenbar bereits im Einsatz. Laut der Regierung in Bratislava dienen die Raketen rein der Selbstverteidigung eines angegriffenen Nachbarlandes. Auch könnte die Slowakei der Ukraine Radhaubitzen verkaufen, zudem wird über eine Überlassung slowakischer MiG-29-Kampfjets an die Ukraine spekuliert.

Polen stellt Lazarette zur Verfügung

Der Transport soll zwei Tage gedauert haben - derartige Manöver sind generell riskant, weil immer die Gefahr besteht, dass die Fracht von russischen Kampfjets entdeckt und zerstört wird.

Das generelle Prozedere läuft so ab, dass etwa US-Transportflieger die Waffen nach Polen bringen, wo sie in Lkw umgeladen werden. Dann geht es weiter in die Ukraine.

Polen liefert ebenfalls Waffen, ist aber auch bereit, die Rolle eines Lazaretts für verwundete ukrainische Soldaten zu übernehmen. Die Zahl der Kriegsversehrten ist bereits hoch - die Rede ist von 10.000 Verletzten -, sie wird in den kommenden Wochen angesichts der laufenden russischen Offensive im Osten der Ukraine weiter ansteigen. "Wir unternehmen alles, um alle verletzten Soldaten aus der Ukraine aufzunehmen und zu behandeln", so Polens Premier Mateusz Morawiecki. "Mehrere Dutzend" Soldaten werden bereits behandelt, Polen wäre bereit, mehr als 10.000 aufzunehmen.

Die Nato hat Anfang April beschlossen, der Ukraine massiv mit schweren Waffen auszuhelfen. In Washington und London geht man davon aus, dass die Kämpfe im flachen Gelände der Ostukraine durch überlegene Feuerkraft entschieden werden. Der Hauptteil des schweren Geräts wird aus den USA und Großbritannien geliefert, darunter gepanzerte Fahrzeuge, Luftabwehr-Raketen vom Typ Starstreak, Raketen zum Angriff auf Schiffe und "lenkbare Präzisionsmunition". Wobei fallweise improvisiert werden soll. So will man prüfen, ob Raketen, die üblicherweise von Kampfjets abgefeuert werden, im Fall der Ukraine auch auf Fahrzeuge montiert werden können.

Pentagon korrigiert Angaben zu Kampfjets

Zusätzlich haben die Ukrainer laut US-Informationen Kampfjets und Ersatzteile erhalten. Wie viele, welche und woher, wurde am Mittwoch zunächst nicht weiter erläutert. Allerdings kam im Laufe des Tages eine Berichtigung. "Ich habe mich getäuscht", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Die Ukraine habe "nicht ganze Flugzeuge von einem anderen Land erhalten". Vielmehr hätte sie "Ersatzteile und zusätzliche Ausrüstung" bekommen und dadurch mehr eigene Kampfjets einsatzfähig machen können.

Die Vereinigten Staaten wollen außerdem das ukrainische Militär außerhalb des Landes im Umgang mit den gelieferten Haubitzen ausbilden. Das Training werde dieser Tage beginnen, hieß es aus Washington, es handle sich um ein "Train-the-Trainer-Programm", bei dem ukrainische Ausbilder von den USA angelernt würden.

Österreichs Beitrag besteht aus Schutzwesten, Helmen, Krankenwägen, Benzin.