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G-20-Motto: Vergesst die jetzige Krise, kümmern wir uns um die nächste

Von Stefan Melichar

Analysen

Auch wenn besonders kontroversielle Punkte durch unverbindliche Formulierung entschärft worden sind: Das, was die Chefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) vergangenes Wochenende in Washington in Sachen Neuordnung des Finanzsystems auf die Beine gestellt haben, kann sich durchaus sehen lassen. Von den 47 Vorschlägen des gemeinsam verabschiedeten Aktionsplans sollen immerhin 28 bereits bis Ende März 2009 in allen Details ausgearbeitet sein. | Die G-20-Staaten streben unter anderem eine bessere internationale Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden, eine Harmonisierung von Bilanzierungsvorschriften sowie eine schärfere Regulierung von komplexen Finanzprodukten und von Rating-Agenturen an. Alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Finanzmarktteilnehmer werden einer angemessenen Überwachung unterworfen, so die Kernaussage des Gipfeltreffens.


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Allerdings scheint es fast so, als hätten die Chefs der G-20 - angesichts des Vorhabens, eine mögliche nächste Finanzkrise zu verhindern - auf die Bekämpfung der jetzigen vergessen. Die Abschlussdokumente enthalten lediglich sechs - sehr allgemein formulierte - Punkte, die sich einerseits auf die aktuelle Stabilisierung des Finanzsystems und andererseits auf die Ankurbelung der Konjunktur beziehen. Die "energischen Anstrengungen" sollen fortgesetzt werden, heißt es da. Angemessene finanzpolitische Schritte zur Stimulierung der Binnennachfrage werden empfohlen.

Keine Rede ist hingegen von einem international abgestimmten Konjunkturpaket. Lediglich die Gespräche über ein neues Welthandelsabkommen - die sogenannte Doha-Runde - sollen rasch wiederbelebt werden. Zudem bekennen sich die G-20-Staaten dazu, vor dem Hintergrund der aufdämmernden Wirtschaftskrise auf protektionistische Maßnahmen, die anderen Staaten schaden könnten, zu verzichten.

Überhaupt nicht in Angriff genommen wurde eine Reform, die darauf abzielt, die globalen makroökonomischen Ungleichgewichte aus westlichen Leistungsbilanzdefiziten und asiatischen Leistungsbilanzüberschüssen zu beheben. Diese haben jedoch ebenfalls ihren Teil zur aktuellen Finanzkrise beigetragen, wie das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" ausführt. Billiges Geld aus Asien habe mitgeholfen, die nun geplatzte Konsum-Blase zu füllen.

Bei all dem Bemühen, zukünftige Krisen zu verhindern, besteht jedoch die Gefahr, die jetzige zu verschlimmern. So sehen die G-20-Pläne schärfere Risikovorschriften für Finanzfirmen vor. Der ehemalige IWF-Chefökonom Simon Johnson warnt im "Wall Street Journal": Gerade in einer Zeit, in der die Wirtschaft besonders dringend auf Bankkredite angewiesen ist, könne dies kontraproduktiv sein.