)
"Wir brauchen mittelfristige Ziele." | Reiche Länder tragen besondere Verantwortung. | "Wiener Zeitung": Herr Ban, die wirtschaftlich gut entwickelten G8-Staaten feierten letzte Woche auf Ihrem Gipfel in LAquila die Einigung über eine langfristige Reduzierung des Treibhausgasausstoßes als großen Durchbruch. Sie wirkten allerdings eher ernüchtert .. .
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ban Ki-Moon: Die Vereinbarungen, die auf dem jüngsten G8-Gipfel und dem Forum der wichtigsten Industriestaaten getroffen wurden, sind natürlich willkommen, aber reichen einfach nicht aus. Es müssen weit größere Anstrengungen unternommen werden, wenn die Regierungen auf der Klimakonferenz zum Ende dieses Jahres in Kopenhagen einen Deal besiegeln wollen, der tatsächlich den Klimawandel abbremst.
Also aus Ihrer Sicht eher ein Rückschlag als ein Durchbruch?
Wir brauchen ganz einfach mehr Ernsthaftigkeit von allen Seiten. Die bisher angekündigten Ziele der Industrieländer führen schlichtweg nicht zu jenen Einschränkungen an Emissionen, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wirklich erforderlich sind, um den Klimawandel aufzuhalten.
Warum fordern Sie besonders die G8-Staaten heraus?
Weil die entwickelten Länder beispielgebend vorangehen müssen, wenn auch andere Staaten ein wirksames und verbindliches Engagement zur Reduzierung von Treibhausgasen abgeben sollen. Die Gruppe der großen Acht trägt eine besondere Verantwortung, um aus dieser politischen Sackgasse herauszufinden. Wenn sie dieses Jahr scheitern, dann haben sie eine einzigartige historische Möglichkeit verspielt, die vielleicht niemals wiederkehrt. Ich weiß, dass jedes Staatsoberhaupt in seinem Heimatland derzeit starkem politischem Druck ausgesetzt ist. Aber die Wissenschaft kennt da keine Nachsicht und fordert von uns, dringend als Weltgemeinschaft zu handeln. Wir müssen den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius halten. Das bedeutet, die Emissionen bis 2050 um mindestens die Hälfte zu senken, damit diese Marke erreicht werden kann.
Die G8-Staaten haben sich ja zu diesem Langzeit-Ziel bekannt. Was genau erwarten Sie von ihnen, um einen fühlbaren Unterschied in der Senkung der Treibhausgasabsonderungen in kürzerer Zeit zu erreichen?
Mit dem langfristigen Bestreben der G8, die Emissionen bis 2050 nicht nur um die Hälfte, sondern um 80 Prozent zu senken, bin ich recht zufrieden. Damit dies aber glaubhaft wirkt, brauchen wir auch ambitionierte mittelfristige Bestmarken. Als gutes Beispiel voranzugehen, heißt dann eben für die entwickelten Industrieländer, ihre Abgase bis 2020 in der Größenordnung von 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, wie es die Experten der Zwischenstaatlichen Behörde für Klimawandel (IPCC) als unabdingbar ansehen. Ich war daher enttäuscht, dass die in LAquila verkündeten Ziele nicht in dieser gehobene Kategorie lagen.
Sie waren recht angetan, als die britische Regierung am 26. Juni unter dem Titel "Wegweiser nach Kopenhagen" eine Initiative vorstellte, wie die Kontrolle des Klimawandels zu finanzieren sei.
In der Tat. Diese Initiative kam zur richtigen Zeit und zeigt eben genau jenen Führungswillen, den ich von den entwickelten Ländern erwarte, wenn die Verhandlungen der UNO-Konvention zum Klimawandel über den Weg nach 2012 erfolgreich verlaufen sollen. Ohne einen anspruchsvollen Finanzierungsplan der reichen Länder bleibt ein zukunftsträchtiger Pakt in Kopenhagen Wunschdenken. Mit dem Schwerpunkt auf angepasste Beiträge liegen die Briten genau richtig, denn wir müssen auch daran denken, dass die ärmsten und anfälligsten Länder zuerst und am härtesten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.
US-Präsident Obama sagte auf dem G-8 Gipfel, es wäre noch Zeit, die Unstimmigkeiten über Klimaschutzverpflichtungen mit den führenden Entwicklungsländern auszuräumen. Was ist Ihre Meinung zum Beitrag solcher aufstrebender Ökonomien wie China, Indien oder Brasilien?
Jedes Land muss seinen Beitrag nach dem Prinzip der Gleichheit leisten. Entwicklungsländer werden ebenso in die Pflicht genommen, was in punkto messbarer und verifizierungsfähiger Abgasreduzierung auf nationaler Ebene in ihren Möglichkeiten liegt. Aber sie benötigen finanzielle und technologische Unterstützung. Entwicklungshilfe ist auch erforderlich, um den am meisten gefährdeten Staaten zu helfen, mit den bereits vorhandenen Folgen des Klimawandels fertig zu werden. Wir stehen hier an einem Kreuzweg. Weiterwirtschaften wie bisher ist keine Option.
Was planen die Vereinten Nationen noch zu tun, damit bis zum Jahresende eine globale Einigung erzielt wird, um die Gefahr des Klimawandels zu bannen?
Ich lade die Staats- und Regierungschefs der 192 UNO-Mitgliedsländer für den 22. September in das UNO-Hauptquartier in New York ein. Dabei zähle ich auf all diese Repräsentanten und erwarte ihre aktive Teilnahme, ganz gleich ob sie aus Orten mit dem höchsten Treibhausgasausstoß kommen oder von dort, wo man am heftigsten unter den Auswirkungen leidet, einschließlich der kleinen Inselstaaten, der Binnenländer und der am wenigsten entwickelten Staaten. Das Ziel dieses Klimagipfels ist es, die nötige Eigendynamik zu mobilisieren, die ausreicht, um in Kopenhagen einen fairen, wirksamen und wissenschaftlich anspruchsvollen neuen Klimavertrag zu beschließen.
Mehr zum Thema:Warten auf Kopenhagen: Der lange Weg zum Klimaschutz